Der Ruf nach neuen Leuten

12. Mai 2015 - Ralf Hildebrandt

Die Alten tun es nicht mehr. Das Management ist ideenlos. Mit der Truppe geht es nicht weiter. Es muss ´mal frischer Wind ´rein… 

Das hat fast jeder Manager schon einmal irgendwo gehört. Vielleicht sogar ganz in der Nähe. Kürzlich haben wir es in einem Abschlussbericht einer Analyse einer „Change-Management-Beratung“ gelesen. Die gesamte Sales Force hatte die falschen Skill-Profile – hieß es da. Hm.

Einfach einmal „neue“ Leute einzustellen und die Alten zu ersetzen ist wie gegen ein Auto zu treten, wenn es nicht mehr anspringt. Man hat keine wirkliche Idee, was kaputt sein könnte. Aber man hat wenigstens etwas gemacht. Vielleicht passiert ja etwas.

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Die richtige Idee wäre nicht neue Leute zu suchen. Sondern passende. Wenn überhaupt. Die kann man dann natürlich auch extern finden. Aber die Frage wird fast nie gestellt. Warum?
Nun ja. Erst einmal muss sie einem einfallen. Oft ist der Zug bereits in Richtung „neu“ unterwegs. Und man beauftragt einen Personalvermittler. Und zweitens müsste man sich darüber im Klaren sein, was denn zu was passen soll. 
„Passend“ bedeutet: die Person und die zu erledigende Funktion sind optimal gekoppelt. Das wäre der richtige Ansatz. Passen die, die wir haben dorthin, wo sie arbeiten? Oder müssen sie woanders hin?

Das ist durch die zunehmende Distanz zwischen Zentrum und Peripherie (vgl. hier: Zentrum und Peripherie – ungewollte Struktur von Unternehmen) heute eine sehr schwierige Frage. Welcher Manager weiß noch, was genau in seinem Bereich läuft? Wie im Alltag bezahlte Rechnungen zustande kommen? Der Alltag wird kaum mehr verstanden. Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand hören wir das von jedem Manager. Was man sieht wirkt einem fremd – selbst wenn man vor 2 bis 3 Jahren noch gar nicht zum Management gehört hat. Das ist eine Situation, die hinter dem Rücken aller Beteiligten durch die zunehmende Marktdynamik entstanden ist. Und sicher kein Fehler der Beteiligten. Das hat sich niemand so ausgedacht. 

Fast immer ist es ein gefährlicher (und teurer) Blindflug, wenn man „die Alten“ vor die Tür setzt. Sie hätten sehr wahrscheinlich anderswo bestens gepasst. Zudem kennt man von den Neuen nur die Lebensläufe und Skillprofile. Was daraus aber im eigenen Firmenkontext entsteht, ist ebenso ungewiss. 

Fazit – auch hier hilft es, den Blick vom Individuum (der Neue, die Passende) auf die Kopplung zwischen der Person und der Funktion zu werfen. Hier muss es brummen, d.h. Resonanz entstehen. Und es spart nebenbei auch Abfindungen. Wie das geht? Kaum mehr über die Personaler. Wie auch? Wie sollten die das leisten können? Man benötigt Führungskräfte mit einem Riecher, wer wohin passt. Das ist eine Sache von Talent. Dahinter steckt also die Frage nach dem WER – nicht nach dem WIE. ROT statt BLAU. Zum Thema talentorientierte Führung gibt es bald mehr.

Im Original finden Sie das hier im Zündfunken (4 min) oder darunter im Transkript.

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Natürlich ist es so, dass eine Organisation nur funktionieren kann, wenn sie in der Umgebung alles voraussetzen darf, was sie braucht. Auch gute Leute. Deswegen wäre natürlich die Überlegung: sind alle Leute, die wir haben, an der richtigen Stelle und reicht ihre Kompetenz aus, um das, was sie da tun sollen, auch tun zu können?
Das heißt, wenn überhaupt eine Frage nach neuen Leuten rational auftauchen könnte, ist: falsche Leute oder nicht gute Leute durch bessere zu ersetzen. Nicht durch neue, sondern durch passende. Also: passen die, die wir haben, dorthin, wo sie arbeiten? Oder müssen wir sie woanders hinsetzen, damit sie besser passen? Oder müssen wir jemanden von woanders holen und den da hin setzen, damit er besser passt? Wo ich den herhole – von aussen oder von innen – ist Wurst. Denn das Kriterium ist immer: ist die Person und die zu erledigende Funktion eine optimale Kopplung? Passt das zusammen? Das wäre die richtige Frage.
Da diese Frage oft so schwierig ist und nicht behandelt wird und im Management heute ja eine große Hilflosigkeit herrscht, also man eine wachsende Zahl von Problemen hat, wo man schon vorher weiss, das kriegen wir nicht geregelt – aber Gott sei Dank unser Konkurrent auch nicht, der kriegt es auch nicht hin. Es gibt natürlich viele Angebote, was man alles anstellen kann, um solche Personalsachen zu optimieren. Aber dieser Schlachtruf „Jetzt holen wir mal neue Leute und suchen, dass wir die anderen, die alten loswerden“, unabhängig davon, ob die alten passen oder nicht und unabhängig davon, ob die neuen passen werden oder nicht, einfach mal neue Leute. Das ist ein ähnliches Niveau, wenn man eine Maschine hat, die nicht mehr funktioniert und man tritt dagegen. Das ist die Hoffnung, dass wenn ich irgendwo irgendwas mache, dass dann irgendwas passiert, was besser ist als das alte. Aber es ist die Demonstration von enormer Hilflosigkeit, denn es ist einfach ein Blindflug, denn die alten Leute, die man raussetzt, von denen weiss man ja gar nicht, haben die gepasst oder nicht. Und die neuen Leute, die man da reinholt, da kennt man Personalprofile, Skillprofile oder sonst irgendwas, aber wie die dann funktionieren in dem Kontext, in den ich die dann setze, weiss ich ja vorher gar nicht.
Was Personalpolitik betrifft (wer muss wo an welche Stelle) ist zum Einen, wenn es um die Entscheidung geht, um den ersten Schritt, eine Sache von Talent, ich brauche Leute, die einen Riecher dafür haben, wer gehört denn wohin, und im zweiten Schritt Sache der Organisation selbst, denn nur die Organisation selbst kann jetzt zeigen: der passt oder er passt nicht. Deswegen ist Personalpolitik immer eine Frage von Talent und eine Frage von Beobachtung der eigenen Organisation. Und ob man da mal einen Neuen von außen braucht, oder mit den Leuten auskommt, die man innen hat, das ist eine Sache, die ergibt sich dann. Aber diese Illusion, dass ein Mitarbeiter nur deswegen besser ist als ein anderer, weil er neu ist, das ist naiv. Das ist, wie wenn man gegen den Backofen tritt, wenn das rote Lämpchen nicht angeht. Dann tret´ ich einfach mal dagegen. Natürlich, das ist die Hoffnung, wenn ich irgendwas mache, wird irgendwas passieren. Und wenn ich nur ein bißchen Glück habe, vielleicht irgendwas, was mir nützt. Aber da ist keinerlei Rationalität mehr drin, das ist pure Emotion.
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Wir wünschen Ihnen eine angenehme Woche. Bis bald. Gerhard Wohland und Ralf Hildebrandt

 

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Bildnachweis: iStock/18082861-eucIn

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