Digitalisierung – ein Scheinproblem

18. Februar 2016 - Ralf Hildebrandt

Digitalisierung ist das aktuelle Modewort für Rationalisierung. 

Rationalisierung ist nichts anderes als das Bestreben, körperliche Schranken durch technische Hilfsmittel zu überwinden. Das gibt es schon seit ein paar tausend Jahren. Die erste „Digitalisierung“ war der Faustkeil. Der überwand Beschränkungen der menschlichen Hand. Sie ist verletzlich, man kann nicht beliebig hart zuschlagen oder irgendwo draufhauen, sonst verletzt man sich. Also nimmt man ein technisches Hilfsmittel, den Faustkeil. Und so ging es weiter. 

Irgendwann kam dann die Industrialisierung. Auch dort überwand man die Beschränkung der Kraft und Ausdauer des menschlichen Körpers und führte dem Wertschöpfungsprozess durch die Dampfmaschine Energie zu. Technisierung wird in der Wirtschaft genutzt, um körperliche Schranken zu überwinden.

Das gilt auch für den Computer. Das menschliche Hirn kann ganz bestimmte Dinge tun, zum Beispiel Zahlen zusammenzählen. Das ist anstrengend und man kann sich irren. Wenn man das vom Computer machen lässt, überwindet man diese Grenze, diese Beschränkung des Gehirns. 

Der aktuelle Begriff, der diesen Vorgang beschreibt, ist „Digitalisierung“.

Warum benutzt man diese Modeworte und redet nicht einfach von „Rationalisierung durch Computertechnik“? Das wäre der präzise Ausdruck – den müsste man nicht alle paar Jahre durch ein Modewort ersetzen.

Der Grund, warum es diese Modeworte gibt, ist eine ständig vorhandene Angst in der Wirtschaft. Die Angst, den Anschluss zu verpassen. Irgendetwas passiert irgendwo und ich kriege es zu spät mit. Dann bin ich plötzlich hintendran und handle mir vielleicht große Schwierigkeiten ein. Diese Angst wird von Instituten und Institutionen genutzt, die durch die Welt ziehen und verkünden, dass im Moment die Digitalisierung das ist, was man verpassen könnte. Und wenn man nicht aufpasst und sofort vorn und hinten Digitalisierung betreibt, bekommt man große Schwierigkeiten. Wir können aber helfen, den Anschluss nicht zu verpassen.

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Das ist ein Scheinproblem.

Leistungsfähige Firmen kümmern sich wenig um Digitalisierung. Sie erkennen die Probleme und lösen eines nach dem anderen. Das steht ihnen als Erfahrung zur Verfügung. Wenn das schnell genug geschieht, ist man immer vorne. Egal wie die Mode gerade heißt. Was zu rationalisieren ist, muss man natürlich rationalisieren. Sonst droht Verschwendung.
Firmen, die Angst davor haben, den Anschluss zu verpassen, sind empfänglich für Moden. Dynamikrobuste Firmen machen eher Witze darüber.

Modebegriffe, wie Digitalisierung oder Industrie 4.0, sind immer die Lösung für ein unbekanntes Problem.

Das heißt, man erkennt das konkrete Problem nicht. Man hat nur ein ungutes Gefühl. Höchstleister versuchen sich nur an konkreten Problemen und lösen die. Ein leidendes Unternehmen hat zwar auch konkrete Probleme – die sind aber mit Digitalisierung kaum zu bearbeiten. Vielmehr haben sie eine Art „Problem-Stau“. Digitalisierung scheint dann die Lösung, ohne das Problem konkret nennen zu müssen.

Das ist wie eine Arznei, die nicht gegen eine spezielle Krankheit hilft, sondern eine allgemeine Besserung des Zustands verspricht. Es gibt in Reformhäusern und Apotheken Mittelchen, die gegen alles wirken. Wenn man sie nimmt, wird man glücklich und froh. So werden diese Begriffe verkauft: als Lösung – die Lösung ist schon da und das Problem musst du gar nicht erst kennen. Denn wenn du unsere Lösung benutzt, taucht das Problem erst gar nicht auf. Du musst dein Problem gar nicht erst ergründen – ist ja auch unangenehm. Besser noch: es kommt gar nicht erst, wenn du digitalisiert. 

Als Zündfunke im Original: 

Das war provokant – hoffentlich konnten Sie das aushalten, liebe Leser. 

Bis nächste Woche!

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