Innovation – na, das muss doch…!

7. April 2017 - Ralf Hildebrandt

Was verbinden Sie mit dem Begriff „Innovation“, werte Leserinnen und Leser?

Für die meisten unter Ihnen wird er positiv konnotiert sein. Sie werden vielleicht an sich entdecken, dass Sie bestimmte Automobilhersteller mit Innovation verbinden – andere nicht. Oder manch i-ntelligentes Smartphone eher als andere. Vielleicht sind Sie in Ihrer Karriere auch schon einem Innovationsmanager begegnet. Oder sind selbst eine(r)!

Es könnte aber auch sein, Ihnen geht das Ganze auf die Nerven. Sie glauben, Inno-vi(e)ren leitet sich von „Virus“ ab. Denn Sie haben die Erfahrung, dass man in Meetings nirgends hinkommt, wenn ein Kollege „Innovation“ einfordert. Sie würden ihn gerne fragen, wofür man denn innovativ sein müsse. Aber das tut man nicht. Oder sie stellen sich wie kürzlich die junge Managerin eines Pharmakonzerns die Frage, ob denn eine Konzernstruktur überhaupt für Innovation geeignet sei. Vom Forschungsbereich einmal abgesehen. Wie soll das neue Zeugs jemals in jahrzehntealte Strukturen passen?

Weiter kommt man, wenn der Begriff zunächst einmal moral-desinfiziert würde. Die Vermutung der jungen Managerin, dass ein Konzern vielleicht gar nicht innovativ sein kann, ist richtig. Das kann man aber allenfalls nur sehr, sehr vorsichtig in eine Diskussion einbringen. Denn scheinbar genügt es nicht, eine weltweite Produktion perfekt zu organisieren. Und es fertig zu bringen, damit auch noch Geld zu verdienen. Was man sich hingegen landläufig unter Innovation vorstellt, ist irgendwie cool und lebendig. Ganz frisch! Gewürzt mit der richtigen Prise „digital“. Das ist ´was für die jungen Leute auf dem Campus dort drüben. Im Innovation-Powerhouse. Startup-Kultur. Das ist sicher nichts für große, anonyme Konzerne. So scheint es zu sein. Vielleicht haben die Massenmedien und die Werbung diese Vorstellung erzeugt. 

Fordert ein Manager vor diesem Hintergrund Innovation ein, kann man sicher davon ausgehen, dass eine ganze Menge Moral enthalten ist. Wenn man sich nicht innovativ verhält, kann man kaum eine Belohnung erwarten. Kein schönes Gefühl. Wenn man hingegen Innovation anstrebt, hat man quasi ein Recht auf Erfolg. Also kümmert man sich darum. Egal ob das zur eigenen Struktur passt oder nicht. Brainstorm!

Geht man moral-frei beobachtend an die Sache heran, sieht es allerdings ganz anders aus.

  1. Ob man innovativ sein muss oder nicht, ergibt sich nicht aus einer selbst gestellten Forderung („es wäre besser, wenn wir es wären“). Sondern daraus, ob die Konkurrenten Innovation als „Kampfmittel“ einsetzen. Spielt Innovation dort keine Rolle, kann man darauf verzichten. Jedenfalls leitet sich der Grad der Innovation aus dem ab, was sich „draußen“ abspielt und nicht aus dem letzten Impulsvortrag. 
  2. Eine Idee, ein Konzept, ist keine Innovation. Auch ein Prototyp, eine Produktentwicklung, ist keine Innovation. Erst, wenn sich aus der Einheit der Unterscheidung von Produktentwicklung und Produktion ein neues Geschäft ergeben hat, kann man Innovation feststellen. 
  3. Produktentwicklung und Produktion sind gekoppelt – sie sind aufeinander angewiesen. Man kann das eine nicht ohne das andere denken, soll daraus ein neues Geschäft entstehen. 
  4. Wer Produkte entwickeln kann, kann nicht „Produktion“. Wer (Massen)-Produktion beherrscht, darf nicht Produktentwicklung von sich verlangen.
  5. Macht man sich (bei entsprechendem Talent) an Produktentwicklung heran, erzeugt das Projektstrukturen. Macht man sich an Produktion heran, erzeugt das Prozesse.
  6. Ein Prozess kann Innovation nicht vertragen – er bliebe stehen, wenn er durch Neues belästigt wird. Umgekehrt lässt sich Innovation nicht durch einen Prozess erzeugen (auch, wenn es noch so schön wäre!).
  7. Innovation ist kein kreatives Vergnügen, wie man landauf, landab annimmt. Und schon gar nicht „sexy“. Die Grundlage von Innovation ist der Irrtum. Warum sollte das Hirn sonst neu denken? Ein Irrtum schmerzt – so manches Mal ist monatelange Arbeit für die Katz. Eine Krise ist oft die Folge. 
  8. Innovation hat immer mit sozialer Auffälligkeit zu tun – mit einer besonderen Begabung, ein bestimmtes Problem zu knacken. Haben Sie es schon einmal erlebt, wenn einen „Nerd“ etwas nicht ruhen lässt und was das mit ihr / ihm macht? Wissen Sie, wie es sich anfühlt eine Zeit lang mit einem „Nerd“ – einem Genie zusammen zu arbeiten?
  9. Ein schlanker Prozess, eine industrielle Struktur, kann (darf) sozial auffällige Sonderlinge nicht aushalten (wollen). Oder freuen Sie sich über eine innovative Investment-Idee Ihres Bankers, die Ihr Hab und Gut halbiert? 
  10. Nur kleine Unternehmen können Strukturen bereitstellen, die solche Talente erträglich halten und zum anderen Scheitern emotional verarbeiten können. Wenn Sie einen Prozess kennen, der „Trösten“ in 5 Schritten und Meilensteinen formal abbildet… – schreiben Sie uns!
  11. Was die Kleinen können, ist nicht besser oder schlechter als das, was die Großen können. Ein Konzern saugt nicht alles auf. Wenn er das täte, würde es ihm an Innovation mangeln. 
  12. Konzerne und KMU teilen sich tatsächlich die Arbeit. Die Arbeitsteilung ist gängige Praxis. Wird aber kaum ordentlich beschrieben. Das konstruktive Miteinander ist weitestgehend unbekannt und findet unter dem Teppich statt.

Innovation wird in der Umgebung eines Konzerns (Korona) von „den Kleinen“ hergestellt und im Konzern (bzw. in solchen Strukturen) zu einem Produkt veredelt. Erfolgreiche Produktentwicklung ist eine Kunst. Perfekte Produktion ist eine Kunst. Moral hilft – wie so oft – nicht weiter. 

Bis übernächste Woche!

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Bildnachweis: iStock photo ©ezoom 177005486

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