Julia kennen

13. Juli 2018 - Ralf Hildebrandt

Im Taylorismus* war der Clou, dass Strukturen der Wertschöpfung bevorzugt wurden, in welchen man Ideen nicht mehr (bzw. ziemlich selten) benötigte. Es reichte aus, wenn man Menschen fand, die taten, was Ihnen gesagt wurde. Mentaler Funkenflug war für die meisten Beschäftigten Teil der sogenannten Freizeit.

Da war die Welt im Wortsinn „in Ordnung“, werte Leserinnen und Leser. 

Für das, was damals gemacht werden sollte, also erfunden wurde, brauchte man nur sehr wenige. So wenige, dass sie faktisch bei der Beschreibung der Wertschöpfung (Massenfertigung) keine Rolle mehr spielten. Das waren ein paar kreative Nerds und Nerdinnen (damals hießen sie wohl anders), die sich ums Erfinden kümmerten. 

In der Produktion, wenn das Erfundene dann hergestellt werden sollte, brauchte man die ideenreichen Gefühle (Kreativität, Spontaneität, Mut, Lust…) nicht mehr. Man tat, was einem gesagt wurde.

Und das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Weil die Produktion heute nicht mehr als gefühlslose Maschine organisierbar ist. Sie wird ständig gestört. Sie muss ständig auf Störungen reagieren, die sie nicht kennt. Zunächst weiß sie nicht einmal, wie und wo sie entstanden sind. Jede Störung braucht eben deshalb, weil man sie nicht kennt, eine Idee.

Wenn man von Menschen Ideen möchte, dann muss man ihre Gefühle, ihre Werte „erobern“. Damit ist nicht Motivierung gemeint. Sondern Motivation. Sie müssen Wollen wollen. Und nicht nur sagen, dass sie es wollen (das ist ein Unterschied). Es muss so sein, dass sie es wollen. Und leider kann man das nicht herstellen. Das scheint ein grundlegendes Problem moderner Produktion zu sein (und nicht nur dort): wie re-integriert man „Wollen“ in die Produktion?

Wenn man diese Art von Organisationsentwicklung betreiben will – nein, muss – braucht es ein neues Bewusstsein darüber, wie man die Julia als Person in der Umgebung ihres Unternehmens sieht. Nützlich wäre es, Julia in diesem Fall als Einheit der Unterscheidung von Verstand und Gefühl zu verstehen (s. auch hier: „Der Mitarbeiter“). Wenn Sie sie gut kennen, wissen Sie schon, was sie braucht, damit sie ideenreich anspringt. Genauer: welches Problem sie so reizt, dass sie die Zeit glatt vergisst.

Wenn Kollegen in Ihrem Umfeld ständig die Zeit vergessen (im o.g. Sinn!), sind Sie eine Führungskraft. Im Organigramm (falls Sie eines haben) spiegelt sich diese heute überlebenswichtige Funktion oft nicht wider.

Bis übernächste Woche!

*(das war die großartige Erfindung von Winslow Taylor und das Fundament der Industrialisierung)

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