Wie integriert man Manager?

1. Juni 2015 - Ralf Hildebrandt

Typisch für Systemtheoretiker ist, dass man nicht auf Helden und Schuldige angewiesen ist, um sich eine besondere Situation zu erklären. Im Gegensatz zu den Psychologen. Der Systemtheoretiker geht davon aus, dass die Menschen ihre Organisation nicht „gemacht“ haben, sondern sie sich eingehandelt haben. Etwa, wenn sie unternehmerisch tätig werden und plötzlich ein eigenes Start-Up an der Backe haben. Oder wenn sie sich für Innovation in einem Konzern engagieren und merken, dass sie allzu oft dessen kalte Schulter gezeigt bekommen. 

Man hört mit dem Denken also nicht auf, wenn man einen Idioten oder einen verhassten Manager gefunden hat, um eine gescheiterte Transformation erklären zu können. Man forscht weiter nach der Ursache der Entwicklung. Kurzum: wer noch Helden und Schuldige braucht, um sich die Welt zu erklären, hat noch nichts verstanden. 

Diese Einleitung ist nötig, weil man das folgende schnell in den falschen Hals bekommen kann.

Wir haben Situationen kennengelernt, da mussten wir uns fragen, ob dem handelnden Manager das Unternehmen völlig egal war. Geht es wirklich darum, die Zukunft des Unternehmens zu gestalten? Was macht ein Manager in einer überlasteten Struktur mit einer Vertragsrestlaufzeit von 2 Jahren? Angenommen, er habe schon vieles versucht und nichts wollte gelingen?
Er wird vielleicht schauen, dass er nach 2 Jahren so aus dem Vertrag kommt, dass er an anderer Stelle den nächst höher dotierten bekommt. Vielleicht. 

rene

Wenn dem so ist, ist das Problem des Managers nicht eine gelungene Transformation oder die Ausrichtung in Richtung Zukunft. Sondern nur das Überleben von einem Tag auf den nächsten. In Machtstrukturen geht es oft nur darum. Das darf man nicht außer Acht lassen. Steuerung basiert auf Macht. Ohne Macht funktioniert Hierarchie nicht. Und Hierarchie stabilisiert (auch) die Organisation.

Wenn es aus dieser Sicht also um das pure Überleben geht, dann muss der Manager dafür sorgen, dass sich die Intelligenz seiner Leute nicht gegen ihn richtet. Damit die nicht fragen „warum machen wir das so, Chef? Wäre es so herum nicht viel besser?“ Denn dann müsste der Chef nachdenken. Es wäre für ihn von Nachteil, wenn seine Leute intelligent sind. Denn von jedem Intelligenten müsste er die Gefahr akzeptieren, dass er seinen Posten verliert. 

Und jetzt? Er muss durch Überlastung dafür sorgen, dass seine Leute ihr Bewusstsein nicht mehr benutzen, sondern nur noch vor sich hin funktionieren. Damit man das, was man gelernt hat und eigentlich beherrscht – auch gefühlsmäßig – nicht mehr benutzen kann.  

Dann macht es Sinn, seine eigenen Leute so an die Belastungsgrenze heranzuführen, dass die mit dem Denken aufhören. Dass sie nur noch ausführen. Egal, welche Kompetenz sie haben.

So integriert man Manager. 

Im Flugsimulator kann man diese Situation herbeiführen. Die Piloten erleben dort, was geschieht, wenn ihre Belastungsgrenze erreicht wird und sie nur noch ideenlos funktionieren. Es endet in einer Katastrophe. Ziel jeder Ausbildung ist es, genau das zu vermeiden. Es ist lebensbedrohlich.  

Ok, das war jetzt provokant. Ist aber oft genug die Realität. 

Im Zündfunken fängt es sogar noch ein wenig krasser an – wer sich das geben will; nur zu: 

Zum Nachlesen das Transkript:

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Das ist die Integrationstechnik eines klassischen Konzerns oder allgemeiner einer überlasteten Organisation und die geht eigentlich auch beim Militär so. Wie macht man aus einem Menschen, der eigentlich ins Kino will, einen Soldaten, der mit ´ner Knarre irgendwo rumläuft und andere Leute umbringt? Wie macht man das? Und der Erzieher beim Militär sagt: Ich muss seinen Charakter brechen. Ich muss dafür sorgen, dass er das, was er bisher gelernt hat, auch gefühlsmäßig gelernt hat, nicht mehr benutzen kann. Und das macht man durch Überlastung. Nachtmärsche, 20 Stunden wach bleiben, im Dreck suhlen und so weiter, bis der sein Bewusstsein nicht mehr benutzen kann. Er kann nicht mal mehr hassen, den Schleifer, er kann nur noch vor sich hin funktionieren und nur in dieser Situation kann ich ihm jeden Befehl geben und er führt jeden Befehl aus.

Nun ist ein Konzern kein Militärapparat, aber so was ähnliches. Wie sorge ich dafür, dass die Intelligenz des Managements sich nicht gegen mich als Chef richten kann. Also dass mich einer fragt: hör mal zu Chef, wieso machen wir das so? Wenn man das so machen würde, wär das doch viel besser. Aber dann müsste der Chef nachdenken und dann wäre es für ihn ein Nachteil, wenn seine Leute intelligent sind, denn von jedem Intelligenten müsste ich die Gefahr akzeptieren, der könnte dafür sorgen, dass ich meinen Posten verliere. Das setzt natürlich voraus, dass dem Chef, dem Manager, das Schicksal des Unternehmens egal ist. Ich habe meinen Zwei-Jahres-Vertrag, jetzt mache ich mir einen Plan, wie manage ich das, dass ich nach zwei Jahren hier aus dem Vertrag so rausgehe, dass ich den nächsten bekomme, der etwas höher ist. Nur dann macht es einen Sinn, was ich gerade gesagt habe. Nur dann macht es einen Sinn, seine eigenen Leute so an die Belastungsgrenze zu führen, dass die mit dem Denken aufhören, dass die nur noch ausführen, egal welche Erfahrung, welche Kompetenz sie haben. Und so integriert man Manager, oder ganz am Anfang, so integriert man Hochschulabgänger. Oder so integriert man Berater. Junge Berater, Hochschulabgänger integriert man dadurch, dass man abends fragt: wie viele Folien hast du heute gemacht? Nicht, was steht denn da drauf? Sondern, wie viel sind es denn geworden? Und ist auch kein Schreibfehler drin und so weiter und die Corporate-Identity-Farben verwendet. Klar ist das furchtbar wichtig. Aber nicht: ist dir irgendetwas eingefallen? Und irgendwann ist der junge Berater – und das habe ich ja nun zur Genüge erlebt – der Meinung, das ist die Welt, das ist die Berufswelt, und wenn du Spaß haben willst, dann musst du Bungee-springen gehen, da hast du noch irgendwas, was Spaß macht, nicht im Beruf.

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Nächste Woche geht es um den wichtigen Unterschied zwischen Training und Schulung.
Auch interessant – aber weniger aufreibend. 

Bis dann!

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