(Nicht) Ganz, wie es beliebt.

1. Februar 2019 - Ralf Hildebrandt

Werte Leserinnen und Leser, 

modern angepinselte „Work“-Konzepte vergaloppieren sich öfter in Richtung Freiheit: Man befreit die Mitarbeiter vom Joch des Managements und ersetzt Organigramme durch Menschenwürde und/oder ein Recht auf Teilhabe. So ungefähr. Dass man quasi als Gegenleistung moralisch einwandfreiem Handelns auch eine bessere „Performance“ bzw. eine zumindest etwas besser an Dynamik angepasste Organisation erwartet, sagt man dann schon nicht mehr so laut.

Wir haben im Blog schon öfter auf diesen naiven Irrtum hingewiesen. 

Aber so eine gerechte Welt fühlt sich eben gut und richtig an. Wenn wir uns gut vertragen und ordentlich miteinander umgehen, läuft der Laden (besser). Das scheint nahe liegend. Man bekommt es auch ständig vorgebetet (Evangelisten „humaner“ Arbeitskonzepte gibt es reichlich). Das kann im betrieblichen Alltag zu merkwürdigen Auswüchsen führen. Zum Beispiel dazu, dass der Unterschied zwischen Meinung und Argument verloren geht und jeder zu allem eine Wortmeldung abgeben darf. 

Eine moderne Firma ist eine gerechte Firma. Jede Stimme zählt. Jeder ist wichtig und hat ein Recht auf  Mitgestaltung. Und am guten Chef nagt das schlechte Gewissen, wenn man den „Input“ eines mündigen Mitarbeiters nicht in angemessener Form berücksichtigt. Aber:

Nicht jede Meinung ist ein Argument.

„Jede Stimme zählt“ ist Demokratie und die gehört zur Politik. Nicht in die Wirtschaft. Was aber allerdings nicht bedeutet, dass man die Meinung einer Mitarbeiterin nicht ernst zu nehmen hätte. Konstruktive Kritik an der Meinung eines anderen ist eine besondere Form des Ernstnehmens. Und heute ein wichtiges Kulturelement (es gab Zeiten, da konnte man darauf verzichten). Wenn man eine Meinung nicht teilt, muss man das Nicht-Teilen begründen. Das ist oft nicht einfach. Gute Kritik ist Arbeit:

Sich ernst zu nehmen, bedeutet nicht, dass man gegenseitige Meinungen (als Argumente) akzeptiert.

Wenn also demnächst jemand seine Meinung äußert, man sich damit kritisch beschäftigt und schließlich zu einer anderen Meinung kommt, dann ist das selbstverständlich erlaubt. Gefährlich wird es nur, wenn eine andere Meinung einfach ignoriert wird, weil man oben und ein anderer unten ist.

Bis übernächste Woche!

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