Unternehmerische Markterzeugung – alles im Fluss!

12. Februar 2016 - Ralf Hildebrandt

Reden wir mal übers Geschäft. Über neues Geschäft. Das ist zwar nicht jedermanns Sache, aber in aller Munde.

Mit neuem Geschäft ist hier nicht ein neuer Vertriebskanal gemeint, der Umsatz in einem neuen Marktsegment bringt. Es geht nicht ums Verkaufen. Es geht um unternehmerische Markterzeugung (im Gegensatz zur Markterzeugung, wie sie ein potentes Unternehmen leisten kann oder die durch staatliche Unterstützung zustande kommt)

Markterzeugung ist in den meisten Unternehmen als Problem (als Herausforderung) nicht bekannt. Die allgemein übliche Überzeugung ist, dass der Markt ganz von alleine entsteht, wenn das Produkt nur toll genug ist. Man trainiert dann die Verkäufer, das Marketing kümmert sich vorher natürlich um die 4P und dann entsteht der Markt von allein. Das ist heute fast immer falsch.

Dass die „Funktion“ Markterzeugung fehlt, erkennt man meist an der Reaktion, die sich einstellt, wenn ein Produkt zum Rohrkrepierer wird. Der Vertrieb bietet es an und es wird nicht gekauft. Die übliche Reaktion: entweder man vergisst das Produkt, oder man verbessert es. Man macht es noch attraktiver. Man ist der Meinung, dass der Markt durch die Attraktivität des Produktes entsteht. Das ist der Denkfehler. Der schleicht sich ein – fast wie ein Reflex. Das geht so fix, dass man es selbst gar nicht merkt.

Die gängige Vorstellung ist ungefähr so: Ich zeige ein Produkt und es wird mir aus den Händen gerissen, da muss ich keinen Markt erzeugen. Wenn ich aber ein Produkt zeige und keiner will es haben, dann ziehe ich mich zurück und versuche durch Verbesserung des Produktes, den Markt zu erzeugen. Gegebenenfalls ziehe ich mich noch weiter zurück. Das passiert z.B. den besonders guten Ingenieuren öfter als man glaubt. Sie pinseln sich in eine Ecke – mit enormer Kraftanstrengung. 

Wenn so etwas geschieht, kann man erkennen, dass Markterzeugung als eigenständige Funktion nicht gedacht wird.

Was also ist Markterzeugung? 
Für neue Produkte muss ein dazu passender Markt erzeugt werden, ohne dass dieser potentiell schon vorhanden wäre. Das ist eine unternehmerische Aktivität im Zentrum eines Unternehmens. Sie geschieht ohne aktuellen Zwang. Alle, die daran arbeiten, sind so lange unternehmerisch tätig, bis der Markt erzeugt ist. Erst danach kann das Thema in die Peripherie – in den Alltag – übergehen. 

Wie oft muss das geschehen?
Wie viel Innovation ein Unternehmen bringen muss, damit es weiter mitspielen darf, entscheidet der Markt. Man kann sich das als einen Innovationsfluss vorstellen, der bei der unternehmerischen Initiative beginnt, in die Peripherie wandert und dort vielleicht auch in Form bezahlter Rechnungen „ankommt“. Dann findet für eine Zeit dort Wertschöpfung statt, bis sie wieder verschwindet. Irgendwann ist das Produkt veraltet.

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Das ist ein historisch ablaufender Prozess, der im Zentrum beginnt. Von dort wird immer wieder neu Innovation nachgeliefert. In der Peripherie muss man die Fähigkeit haben dann loszulassen, wenn sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Was früher als Teil der Kernkompetenz begonnen hat, ist dann alltäglich. 

Anmerkung: Oft ist es heute so, dass das Zentrum durch überbordende Steuerungsversuche überlastet ist und kaum mehr Innovationsleistung erbringt. Das ist tragisch. Denn die Peripherie wird dann durch den Marktdruck gezwungen, diese Leistung selbst zu übernehmen. Da es nicht nur eine Peripherie gibt, erscheint das dann so, als ob jeder das Rad neu erfindet. Chaos. 

Kernkompetenz entsteht dort, wo man unternehmerisch tätig ist. Also wenn aus einer Idee tatsächlich ein Markt entsteht und man das Produkt verkaufen kann. Zu Beginn ist das Kernkompetenz pur. Denn es hat ja noch keiner mitbekommen, was da gerade entsteht. Aber im Laufe der Zeit wird das neue Ding bekannt. Es entstehen die ersten Zulieferer und die ersten Konkurrenten, die das mehr oder weniger gut auch können. Dann ändert sich die eigene Kernkompetenz dadurch, das andere dies und jenes davon aufgreifen und auch ein Geschäft daraus machen.

Aus der Kernkompetenz wird Stück für Stück das, was wir Schalenkompetenz nennen. Man ist dann gezwungen, sich von den damit verbundenen Tätigkeiten zu trennen und sie sich über einen Markt zuliefern zu lassen. Die Fertigungstiefe (Wertschöpfungstiefe) sinkt. Irgendwann ist von der Kernkompetenz gar nichts mehr übrig und bis dahin ist einem hoffentlich etwas Neues eingefallen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass hier alles im Fluss ist. Da ist nichts, was still hält, was man statisch optimieren könnte. Der Unternehmer als Person ist dabei unverzichtbar. Ab und zu muss er sich etwas trauen und irgendetwas anstellen. Meistens geht das schief – das ist normal. Aber es muss oft genug – das unterscheidet den guten vom schlechten Unternehmer – funktionieren. Der Unternehmer ist ja erst dann „entlassen“, wenn er einen Markt erzeugt hat.

Wenn ein Markt erzeugt ist, also eine Nachfrage mit einem Preis, der Gewinn verspricht, entstanden ist, muss man seinem Verkauf nichts mehr aufschwatzen. Was dann zu tun notwendig ist, ist man gewohnt. Wenn man diesen Übergang allerdings zu früh macht und dem Verkauf stolz die (unternehmerisch gewagte) Innovation präsentiert: Guck mal, hier ist eine Innovation, ist die nicht toll? Die muss man doch verkaufen können!…

Dann ist der Verkäufer gezwungen, mit dieser Innovation zu einem Kunden zu gehen und dem das schmackhaft zu machen. Der Kunde winkt dann ab und fragt, was soll er mit dem Quatsch solle – denn das ist eine Lösung für ein Problem, welches er nicht hat. Vielmehr fordert er vom Verkäufer Lösungen für die Probleme, die er hat. Der Verkäufer geht zum Unternehmer zurück und bekundet, dass das neue Produkt zwar toll ist. Es lässt sich aber nicht verkaufen und deshalb interessiert es ihn nicht.

So ist es, wenn der Unternehmer zu früh aufhört und die letzten Schritte des Unternehmertums, nämlich die Erzeugung des Marktes, dem Vertrieb überlässt. Er ist er der Meinung, da müsste er sich nicht mehr darüber kümmern.

Wenn er aber einmal zur Erkenntnis gelangt ist, dass Markterzeugung eine wesentliche Funktion ist, geschieht ihm das nicht mehr. 

Bis nächste Woche!

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