Visionsplanung 2025

15. November 2018 - Ralf Hildebrandt

Liebe Leserinnen, werte Leser,

dynamikrobuste Organisationsentwicklung „lebt“ von Unterscheidungen. Blaues ist kompliziert, Rotes komplex. Probleme sind dual. Für jeden Teil braucht es die passenden Fragen (Wie bzw. Wer). Den komplizierten Teil löst man methodisch, für den komplexen braucht es eine zündende Idee (es muss nicht immer eine besonders Großartige sein). 

Zu Zeiten träger Märkte (des Taylorismus) konnte man sich so manche Unterscheidung ohne Einbußen sparen. Wenn der rote Teil so klein ist, dass man ihn in Sachen Wertschöpfung ignorieren kann, fällt er mit der Zeit unter den Tisch. Methoden (wie lösen wir das?) und „Best Practices“ (wie löst man es am besten?) dominieren Organisationsentwicklung und Tagesgeschehen. Steigt die Dynamik an, verkehrt sich die Beschränkung auf Methoden allerdings ins Gegenteil und verschärft die Schwierigkeiten. Man gießt Öl ins Feuer. 

Und es gibt neben ungesundem methodischem Übergewicht noch ein störendes Überbleibsel aus der extrem erfolgreichen Zeit gesteuerter Organisation. 

Wenn die Notwendigkeit für Unterscheidungen verschwindet, schieben sich Begriffe übereinander und bedeuten mit der Zeit das Gleiche. 

Im Alltag ist die Schieberei nicht ganz einfach zu erkennen.

Ein Beispiel: Plan, Strategie, Vision. Alle drei sind Pläne: Plan Q4, Strategie 2019, Vision 2025. Der einzige Unterschied zwischen Plan, Strategie und Vision ist der zeitliche Horizont. Der Plan ist das, was man in den nächsten Monaten erledigt (vielleicht etwas weiter unten im Organigramm angesiedelt). Die Strategie ist das, was wir in den nächsten Jahren tun werden (etwas weiter oben angesiedelt).

Und die Vision? Was ist damit? Vision ist Chefsache. Das kann sich nicht jeder herausnehmen. Von unten lässt sich da nichts erkennen. Die ist soweit weg – die kann man kaum noch sehen: 2025!* Dabei werden so weit draußen in der Zukunft die Zahlen nicht nur größer, sondern auch runder (25 Millionen oder 500). Und etwas „No. 1“ schadet beim Blick in die Ferne auch nicht. 

Selbstverständlich sind und bleiben Pläne und Ziele wichtig. Aber sie sind schon lange nicht mehr die ganze Miete. Etwas differenzierter darf es gerne zugehen. Die verschütteten Unterscheidungen kann man heute wieder gut gebrauchen. Aber was könnte denn mit „Vision“ gemeint sein, wenn es sich dabei nicht um den ganz großen Plan handelt? 

Vision ist das, was mich dazu bringt, morgens aufzustehen und nicht einfach liegen zu bleiben. Das ist meine Vision (natürlich fallen Ihnen zum Thema Aufstehen jetzt noch 53 andere Gründe ein). Und ein Visionär ist jemand, dessen Vision ansteckend ist. Er kann das „Vision-haben“ nicht besser als andere. Er ist, wie er ist. Ein Unternehmer. Eine Unternehmerin. Sie will etwas. Und dadurch, dass sie etwas will, zieht sie andere an. Kann man da mitmachen? Könnt ihr noch jemanden brauchen?

Eine Vision lässt sich nur durch Beobachtung feststellen. Haben wir eine? Und wenn ja – wie sieht die aus? Das ist wie mit der Kultur. Wenn man gerade keine hat, lässt sich daran nichts ändern. Eine Vision lässt sich nicht herstellen. Außer sie ist ein Plan. Aber das hilft nicht mehr.

Bis übernächste Woche!

*2020 wäre griffiger. Ist aber zu nah an 2019. Und das ist ja schon um die Ecke. 2030 ist zu weit. Nein. Glaubt kein Mensch. Vision 25 – das wäre ganz ok.

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