Wie denkt man Organisation?

9. September 2015 - Ralf Hildebrandt

„Das finde ich sehr interessant, was mir mein Kollege über die Arbeit mit ihnen erzählt hat – aber sagen sie ´mal wo fängt man denn jetzt mit dem Denken und Handeln an, wenn man modern organisieren muss?“

Das sind wir letzte Woche (oder vorletzte?) gefragt worden.

Eine gute Frage!
Zunächst einmal muss man den Grund für eine neue Organisation kennen. Oder das Problem. Und der ist immer außen zu suchen. Eine Vorgabe vom Chef allein reicht nicht. Nur weil sie oder er das will. Man muss sich vielmehr fragen, ob denn die Dynamik im eigenen Bereich so hoch geworden ist, dass die Räder der eigenen, oft mächtigen Prozesse von ein wenig (rotem) Sand fast zum Stillstand gebracht worden sind.  

Was heißt denn hohe Dynamik nun genau? Das ist immer unternehmensspezifisch zu verstehen. Was für die einen ein Sturm ist, ist für andere ein laues Lüftchen. Ist die Dynamik niedrig, hat man die Welt irgendwann verstanden. Es geschieht kaum noch etwas, was nicht zu dem passt, das man schon kennt. Wenn man sich letztes Jahr ein Buch gekauft hat, gilt das heute noch immer. 

Wenn man aber nicht mehr aus einem Büchlein (Prozesshandbüchlein gehören auch dazu!) ableiten kann, was zu tun ist, muss man hingehen und schauen, was der Fall ist.

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Man muss etwas ausprobieren und prüfen, ob man sich damit einen Gefallen getan hat. Oder ob es eine Schnapsidee war. 

Wir nennen das erste Prinzip für moderne bzw. dynamikrobuste Organisationsentwicklung deshalb „externe Referenzierung“. Man muss die Umgebung seines Unternehmens beobachten und daraus ableiten, was es intern zu strukturieren gibt. Gibt es bei Kunden plötzlich Abteilungen, die man vorher nicht kannte, weil die sich schon wieder ´was Neues ausgedacht haben, muss ich das in meiner Organisation abbilden. Und daraus ergibt sich dann, ob man noch die richtige (also passende) oder schon die falsche Struktur hat. 

Aber dazu muss man vor Ort – draußen – gewesen sein. Was da vor sich geht, ist die Währung der Kommunikation über moderne Organisation. 

Wie immer anbei Podcast und Original Transkript für den totalen Durchblick. 

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Wenn ich überlegen will oder den Verdacht habe, mir könnte moderne Organisationsentwicklung in Richtung dynamikrobuste Organisation was helfen und mir überlege, wo fange ich an erst mit dem Denken und dann mit dem Handeln, dann ist der erste wichtige Schritt, dass man weiß, dass der Grund für moderne Organiationsentwicklung nicht eine Entscheidung, ein Beschluss, ein Bedürfnis oder sonstwas ist, sondern seinen Grund außerhalb des Unternehmens hat. Das heißt, die Welt da draußen hat sich verändert und das ist der Grund, warum sich die innere Welt eines Unternehmens auch ändern muss. Alles was wir tun, müssen wir extern referenzieren.

Wenn wir also selbst mehrere Möglichkeiten haben und uns für eine entscheiden, dann muss die Begründung immer einen Grund haben, der außerhalb des Unternehmens liegt. Das ist der Grund, warum wir das intern tun. Wenn wir etwas intern tun und keine andere Begründung haben außer zum Beispiel: der Chef hats gesagt oder wir sollen, oder wir haben eine Vorgabe und deswegen müssen wir irgendwas machen.  Das sind alles interne Referenzen, die haben mit moderner Organisationsentwicklung nichts zu tun.

Wenn die Dynamik niedrig ist, ist die Welt da draußen irgendwann verstanden. Man weiß Bescheid, was da passiert, und warum es passiert und wie es passiert und deswegen kann ich dann die Welt draußen zum Beispiel mittels eines Lehrbuchs oder mittels eines Seminars oder mittels einer Seminarausbildung zur Kenntnis nehmen. Ich muss nicht selber hingehen. Ich kann mich darauf verlassen, auf das, was über diese Welt da draußen erzählt wird und ich kann mich darauf verlassen, dass, wenn ich ein Buch habe, was ein Jahr alt ist, ist es immer noch richtig. Und das, was sich geändert hat, ist, dass das nicht mehr geht. Dass sich die Welt da draußen so dynamisch ändert und zwar durch Kopplung, also indem die Unternehmen auf andere Art und Weise miteinander umgehen, sich gegenseitig auf die Nerven gehen, sich nicht in Ruhe lassen, sich ständig stören, dass das dazu führt, dass ich diese Welt da draußen eben nicht mehr abbilden kann, weder in einem Buch noch in einem Seminar.

Ich muss hingehen und gucken. Ich muss versuchen, zu verstehen, was ist da los und wenn ich verstanden habe, was ist da los, muss ich intern darauf reagieren und dann schauen, werde ich jetzt mit der Situation da draußen besser fertig als vorher oder nicht. Das heißt externe Referenzierung und experimentelles Vorgehen. Das ist das erste Denkprinzip, was ich brauche, weil ich sonst immer wieder der Gefahr aufsitze, etwas zu benutzen, einen Vorschlag zu akzeptieren, den ich nur deswegen für neu halte, weil er einen neuen Namen hat. Wenn ein Vorschlag kommt und er ist intern referenziert, dann weiß ich sofort: kann ich nicht gebrauchen. Wenn ein Vorschlag kommt, der ist extern referenziert, dann weiß ich: okay, da muss ich gucken gehen, ausprobieren, vielleicht stimmts. Er kann sich aber auch irren, wer immer es vorgeschlagen hat. Das ist der erste Schritt, wenn ich in Richtung dynamikrobuste Organisation denken und dann handeln will.

Diese externe Referenzierung ist kein Dogma. Also du musst, weil das ist besser. Sondern externe Referenzierung brauche ich nur dann, wenn ich die Dynamik der Umgebung als Problem habe und das gilt nicht für alle. Externe Referenzierung heißt einfach, dass ich die Umgebung meines Unternehmens beobachten muss, um daraus abzuleiten, was ich selbst innerhalb des Unternehmens leisten muss, damit das zusammenpasst. Ein Beispiel ist: wir haben eine Abteilungsstruktur und wir sind nicht mehr sicher: ist das noch die optimale? Und dann ist der Rat: geh nicht her und mach jetzt ästhetische Kriterien oder sonstige Kriterien, sondern lass das erst mal liegen und geh nach draußen. Was wird denn da draußen von dir erwartet? Zum Beispiel von einem Kunden. Der Kunde ist ja keine Person, wie wir wissen, sondern eine Struktur, die Rechnungen bezahlen kann. Diese Struktur, die ich da draußen finde und von der ich annehme, die wird sich so schnell nicht ändern und sie hat ihren Sinn oder sie ist allgemein, ich hab nicht nur ein konkretes Beispiel gefunden, dann kann ich mir überlegen, was brauche ich denn intern in meinem Unternehmen an Struktur, um das bestmöglich zu bedienen. Und daraus ergibt sich dann: ist die Struktur, die wir jetzt haben, die richtige oder die falsche. Aber da muss ich immer erst draußen gewesen sein und von draußen zurückkommen und dann begründen: ich bin der Meinung, diese Struktur ist nicht optimal, weil… und dann muss ich was von draußen erzählen.

Stil des Denkens ist: Ich muss meine Begründung, warum ich der Meinung bin, das ist ein gutes Argument, da muss ich etwas von draußen erzählen und nicht von drinnen. Das ist die Währung. Dann muss man mir zuhören. Man kann dann sagen: du irrst dich, ich sehe das anders. Ich war auch draußen, ich habe was anderes gesehen. Dann sind wir im Gespräch. Aber ich kann nicht sagen: das machen wir, weil der Chef das gesagt hat. Das gehört nicht zur Währung dieser Kommunikation.

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Bis nächste Woche!

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