Die Unterscheidung „Rot“ und „Blau“

9. März 2016 - Ralf Hildebrandt

Um die Dynamikthemen moderner Wirtschaft zu beschreiben, hat Dr. Wohland vor über 10 Jahren als erstes Denkwerkzeug die Unterscheidung von Rot und Blau vorgeschlagen und benutzt. Es war der zusammenfassende Titel der Unterscheidungen, die sich aus der Unterscheidung von lebendig und tot ergaben – siehe Denkzettel #1:

Denkzettel1_GrafikRot-Blau

Inzwischen wird das Begriffspaar Rot/Blau zunehmend gebraucht, meist aber missverstanden.

Der Begriff „Unterscheidung“ kann Verschiedenes bedeuten: zum Beispiel können Dinge, die nichts miteinander zu tun haben durch Unterscheidung in Beziehung gesetzt werden, zum Beispiel „Zucker“ und „Salz“. Auch tote Dinge wie Kochtöpfe können von lebendigen wie etwa Regenwürmern unterschieden werden.

Solche Unterscheidungen sind hier nicht gemeint.

Auch die Unterscheidung von Tag und Nacht ist nicht gemeint. Beide gehören zwar zusammen, aber nicht gleichzeitig. Auf Tag folgt Nacht und umgekehrt. Nur die Dämmerung als Gleichzeitigkeit von Tag und Nacht kommt in die Nähe des Gemeinten.

Rot und Blau ist ein Typ von Unterscheidung, mit dem eine Einheit gemeint ist, die nur durch eine Unterscheidung beschrieben werden kann.

Beispiele:

·     Das Grau eines Sofas ist eine bestimmte Einheit der Unterscheidung von Schwarz und Weiß.

·     Ein Werker am Fließband ist die Einheit der Unterscheidung von tot und lebendig. Das Wasser in seinem Körper unterscheidet sich nicht von dem aus der Flasche. Es ist tot. Das Lebendige an ihm ist die vergängliche Struktur und Organisation toter Dinge. Es gibt das eine nicht ohne das andere.

·     Damit ein Gewichtheber seine Kraft zeigen kann, braucht er eine Gegenkraft – das Gewicht der Hantel. Kraft und Gegenkraft ist eine Unterscheidung, mit der die Physik des Gewichthebens beschrieben werden kann.

Ein Beispiel für zu naive Trennung von Rot und Blau liefern die Autoren Pfläging und Hermann. Sie unterscheiden eine (rote) Kollegin von einem (blauen) Roboter. Beide enthalten aber beides. Die Kollegin sowieso und auch der Roboter reicht lächelnd die Hand, was ohne rotes Gefühl nicht möglich wäre. Hier ist Rot und Blau keine Unterscheidung, sondern Bezeichnung von nur Verschiedenem.

Wird Rot und Blau als unterscheidendes Denkwerkzeug benutzt, können weder Mitarbeiter noch ihr Tun rot oder blau sein. Sie sind immer rot und blau.

Jeder Arbeitsvorgang im Unternehmen ist immer ein Zusammenwirken von roten und blauen Anteilen. Das gilt auch für die kreativsten Arbeiten. Auch Leonardo musste für die Mona Lisa Pinsel, Farbe und Leinwand (blau) benutzen. Und selbst für die stupideste Fließbandarbeit ist „Dienst nach Vorschrift“ eine Streikform.

Rote und blaue Arbeitsanteile setzen einander gleichzeitig voraus. Sie lassen sich nicht trennen wie Zucker und Salz.

Rot/Blau ist eine Unterscheidung, die zur Beschreibung des Zusammenhangs des Unterschiedenen benötigt wird – also zum Denken.

Als Bezeichnung von realen Dingen verliert sie ihren Sinn.

Was sich ändern kann, ist das Verhältnis von Rot und Blau. Beim künstlerischen Arbeiten wird der rote Anteil höher bewertet als beim Kopieren einer Bauzeichnung. Aber keiner der beiden Anteile kann ganz verschwinden – zumindest nicht beim sozialen Prozess der Wertschöpfung.

Bis nächste Woche!

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Bildnachweis: dynamikrobust.com

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