Eine Lanze für den Taylorismus

19. Oktober 2018 - Ralf Hildebrandt

Müssen Konzerne agil und flockig wie Startups sein, werte Leserinnen und Leser?

Taylorismus wird heute oft als rückwärtsgewandte Sturheit einiger Betonköpfe verstanden. Das ist vielleicht angesagt und cool. Aber falsch. Taylorismus ist keine vergangene Mode, sondern ein Organisationstyp, der unter entsprechenden Bedingungen Höchstleistung ist.

Tayloristisches Vorgehen schadet nur, wenn man nicht nur Kompliziertes, sondern auch Komplexes damit organisieren will. 
Das endet in einer Havarie.

Vorgänge, die sich wiederholen, werden sinnvollerweise methodisiert und vielleicht auch automatisiert. Das ist nicht von gestern, sondern vernünftig. Und es schafft den für Innovation notwendigen Platz. Rückwärtsgewandt wäre nur, wenn man alles mit der Prozessklatsche erledigen wollte und so den post-tayloristischen Teil der Wertschöpfung dogmatisch unterschlagen würde.

Taylorismus ist nicht von gestern, sondern in Zukunft eben nur noch die halbe Miete. Oder 80% davon. Er wird auf absehbare Zeit das Standbein vieler Unternehmen bleiben. Aber eben auch nur das. Die Konzentration auf die Kräftigung des Standbeins alleine ist nicht zukunftsfähig. Das Zusammenspiel von Stand- und Spielbeinen (Projekte) gewinnt das Match. Das ist moderne Organisation.

Nicht zu vergessen: Auch im Taylorismus gab es auch schon immer den zweiten, experimentellen Organisationstyp. Auch vor einem Jahrhundert gab es eine Innovationsabteilung: die Weißkittel. Nur war diese Abteilung zahlenmäßig so klein und unbedeutend für den ökonomischen Erfolg, dass man sich zumindest organisatorisch nicht speziell darum kümmern musste. Deshalb ist dieser Organisationstyp (nicht der Weißkittel) in seiner Wesensart auch nicht weiter aufgefallen.

Heute ist es genau umgekehrt. Den Prozessanteil beherrscht praktisch jeder. Falls nicht, kann man das notwendige Know-how einkaufen. Die Musik spielt in Sachen Zukunftsfähigkeit inzwischen mehrheitlich auf der anderen Seite der Unterscheidung.

Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass man die Leistungsfähigkeit tayloristischer Strukturen (wo sie passen) gerne vergisst. Es reißt niemanden mehr vom Hocker, dass ein Konzern mit seinen Mitarbeitern weltweit Märkte mit gleichbleibender Qualität beliefern kann. Das erregt kaum noch Aufmerksamkeit. Eine grandiose Leistung bleibt es trotzdem. 

Bis übernächste Woche!

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