Fairness im Job
17. März 2023 - Ralf Hildebrandt
Liebe Leserinnen, werte Leser,
solange Unternehmen am Markt erfolgreich sind, ist Fairness (im Job) kein Thema. Fairness wird nur gefordert, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt und anderen nicht über den Weg traut. Dass die Ursachen im fehlenden Markterfolg liegen, wird dabei schnell übersehen. Was man sieht, sind die Kollegen, die unfair miteinander umgehen. Man sieht, dass die einen mehr arbeiten, als sie müssten und die anderen weniger, als sie sollten (und außerdem auch noch mehr verdienen). Als man noch erfolgreich war, hatte man sich darüber keine Gedanken gemacht, jetzt schon. Fairer wäre es, wenn man sich, wie das heute in modernen Unternehmen üblich ist, seine Arbeitszeit selbst einteilen könnte, und die (Arbeitszeit) dann auch leistungs-„gerecht“ bezahlt wird.
Das scheint durchaus vernünftig, andere Unternehmen machen es auch so. Und so, wie es ist, ja auch nicht weitergehen. Also startet man einen Versuch und führt, wo immer möglich, flexible Arbeitszeiten ein. Und damit bei work-life-balance-mäßiger Arbeitszeitgestaltung auch Transparenz (auch die wird nur gefordert, wo man sich nicht vertraut) über den individuellen Beitrag eines jeden „Teammitglieds“ zum Ganzen herrscht, wird die gearbeitete Zeit gemessen. Damit sich jeder selbst vergewissern kann, dass es leistungsgerecht zugeht. Und schließlich muss ja auch irgendwie das Gehalt berechnet werden …
Der Versuch, einem Mangel an Vertrauen mit einer formalen Lösung beizukommen (wie beispielsweise der Messung von Arbeitszeiten), scheitert allerdings immer.
Denn im Gegensatz zur Alltagsmeinung ist Fairness (Gerechtigkeit) kein Mittel, um Frieden zu stiften. Fairness ist kein objektiver Tatbestand (der gemessen werden könnte), sondern ein (subjektives) Gefühl.
Wer sich misstraut, teilt aber keine Gefühle. Zeiterfassung kann daran, trotz aller guten Absichten, nichts ändern. Und irgendwie spürt man das auch, dass man die anderen (nicht alle), trotz aller Transparenz, noch immer für Faulenzer hält.
Obendrein handeln sich solchermaßen um Gerechtigkeit bemühte Unternehmen auch noch den schädlichen Nebeneffekt ein, dass Zeiterfassung Mitarbeiter in den Status von Lieferanten versetzt. (Nur) bei Lieferanten wird die Leistung gemessen und entsprechend (fair) bezahlt. Mitarbeiter sind aber keine Lieferanten. Da das Sein das Bewusstsein bestimmt, benehmen sich Mitarbeiter, die als Lieferanten behandelt werden, irgendwann auch so, als ob sie welche wären. Sie erbringen ihre Leistung nicht mehr, weil sie (für Mit-arbeit) gebraucht wird, sondern weil sie verrechnet wird. Der Aufwand für diese Art des Leistungsaustausches ist für kreative Unternehmen eine Form von Verschwendung. Sie reduziert den Ertrag.
Ganz schön unfair.
Bis übernächste Woche!
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