Ist künstliche Intelligenz kompetent?
14. April 2023 - Ralf Hildebrandt
Liebe Leserinnen, werte Leser,
mit zunehmender Rechnerleistung können Maschinen (Chatbots, zum Beispiel) immer schneller auf immer umfangreichere Datenbestände zugreifen. Eine mit Fragen gefütterte Volltextsuchmaschine kann dann den Eindruck erwecken, man würde mit „jemandem“, einer künstlichen Intelligenz, einen Dialog führen. Technisch affine Zeitgenossen schwärmen dann von den Möglichkeiten, die sich damit eröffnen. Ängstlichere Zeitgenossen fürchten, dass Maschinen wohl bald alles wissen, und wer weiß, was dann aus den Menschen werden wird. Ob es einmal darauf hinausläuft, dass KI in Form freundlich drein glotzender Plastikroboter (vorsichtshalber nie größer als ein Kind und grundsätzlich ergeben lächelnd) zum dienstbaren Geist wird, oder ob die Menschheit von Terminatoren eins auf die Mütze kriegt. Was einmal wird, kann niemand wissen. Was man hingegen wissen kann, ist, dass viel Wissen zwar beeindrucken (verängstigen) mag, ohne passendes Problem aber unnütz ist, wie der Stadtplan von München in Berlin.
Viel zu wissen bringt ohne Problem gar nichts.
Erst wenn es ein Problem gibt, kann sich zeigen, ob Wissen nicht nur beeindrucken, sondern auch nützen kann. In einem Meer von Wissen das zur Problemlösung benötigte passende Wissen zu finden, und den Rest davon beiseite zu lassen (zu vergessen), ist allerdings kein Wissen, sondern Können.
Erst Können korreliert Problem (Frage) und passendes Wissen (Antwort).
Was man hinterher, wenn Können wirksam war und es wissensmäßig gepasst hat, aber nicht mehr sehen kann. Bei einem Problem, dessen Lösung einen hohen Anteil an Wissen benötigt (98,7%), kann deshalb der Eindruck entstehen, dass eine Maschine, die viel weiß, irgendwann alle Probleme lösen könnte, indem sie das zur Lösung benötigte Wissen aus dem Netz fischt.
Sobald zur Lösung aber mehr Können (Initiative, Kreativität, Fantasie) benötigt wird, zum Beispiel, um festzustellen, was überhaupt das Problem ist („können sie bitte mal gucken, Frau Jägerlein, ich weiß nicht, was Kunde Wollmann von mir will“) schwindet der Eindruck, dass (allein) Maschinen Probleme lösen könnten, zusehends. Denn:
Wissen ist ohne Können nichts wert und umgekehrt. Beide zusammen sind nur im Zusammenwirken nützlich.
Die Einheit dieser Unterscheidung nennen wir Kompetenz, was Sie als treue Leser dieses Blogs natürlich wissen. Und Sie wissen auch, dass Maschinen in diesem Sinne nichts können. Was seit einigen Jahren technisch möglich ist, ist Können als Lernumgebung für lernende Maschinen (lernende Software) zu benutzen. Wenn kein Bewusstsein nötig ist, können diese Systeme unbewusste Operationen (Ideen) des Gehirns nachahmen. Was dabei herauskommt, ist ein technisches System (kein lebendiges), welches zwei freie Texte (Daten) als Frage und Antwort korrelieren, und alle anderen Texte (nicht benötigtes Wissen) ausblenden kann. Und weil das menschliche Bewusstsein Totes animieren kann („Sch… Karre, nun komm schon, spring schon an…“) kann dann der Eindruck entstehen, man hätte es mit Intelligenz zu tun.
Bis übernächste Woche!
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