Nestwärme im Projekt
20. Dezember 2024 - Ralf Hildebrandt
Werte Leserinnen, liebe Leser,
als unverzichtbares Leistungsmerkmal erfolgreicher Projekte findet sich „Nestwärme“ in keinem Projekthandbuch, zumindest noch nicht. Nestwärme oder kurz das „Nest“ ist eine Hälfte von Gerhard Wohlands Denkwerkzeug des „widerständigen Nests“, einer Metapher für innovative Projektumgebungen, über deren andere Hälfte hier vor vier Wochen zu lesen war (und in der zugehörigen Korrektur vor 14 Tagen). Wenn Sie die beiden Beiträge gelesen haben, dann wissen Sie, dass die Metapher weder etwas mit Gehorsamsverweigerung noch mit dem Gelege von Vögeln zu tun hat:
„Widerständiges Nest“ erinnert an die beiden Komponenten jeder Innovation,
- an Widerständigkeit um zu lernen,
- und an Geborgenheit, um die damit verbundenen Niederlagen zu verkraften.
Wobei mit „lernen“ hier nicht die Übertragung von bestehendem Wissen gemeint ist, wie man es aus der Schule oder von Schulungen kennt, sondern die Erzeugung neuen Wissens, wie es beispielsweise zur Lösung überraschender (neuartiger) Dynamikprobleme benötigt wird. Und neues Wissen zu erzeugen („könnte es vielleicht so klappen?“) bedeutet eben immer Konfrontation mit der Widerständigkeit der Welt. Man setzt seine eigene Wirklichkeit („so sollte es doch klappen!“) der Härte der Realität aus und wird dann, von Zufallstreffern einmal abgesehen, erst einmal enttäuscht („hm, war doch keine gute Idee“):
- Ent-täuschend wirken kann dabei entweder das reale Problem selbst, weil es sich von der erwartungsfroh ausprobierten Idee nicht im Geringsten beeindrucken lässt, im Gegenteil, vielleicht wird es sogar größer,
- oder, gewissermaßen in einer Vorstufe des Ausprobierens, auch die harte Kritik einer von der Realität der Welt berichtenden kompetenten Person, wie beispielsweise der eines erfahrenen Teammitglieds, welches mit der Leichtigkeit mehrjähriger, vielleicht sogar jahrzehntelanger Erfahrung die eigene Idee als Schnapsidee enttarnt.
In beiden Fällen ist das Ergebnis Enttäuschung und die ist mit dem für Erkenntniszuwachs typischen Schmerz verbunden, wenn oder weil festgestellt werden muss, dass man nicht so klug ist, wie man dachte. Sich zu irren, besonders wenn man sich schon sicher ist, dass das nicht der Fall sein wird („geniale Idee, mein Team wird mich feiern“) ist immer eine negative Erfahrung, für innovative Vorhaben aber unausweichlich.
Wenn emotionaler Schaden („ich bin einfach zu doof, was sollen die anderen schon von mir halten“) nicht durch Nestwärme aufgefangen werden und verheilen kann, dann wird es das nächste Mal keine Ideen mehr geben, und Innovation unmöglich. Kurzum:
Innovative Projekte sind immer auf beides angewiesen – wenn Widerständigkeit fehlt, entsteht Verwöhnung, fehlt das Nest, entsteht Frust.
Bis übernächste Woche!
Der Inhalt des Posts ist lizenziert CC-BY-NC-ND. Er kann gerne jederzeit unter Namensnennung und Link zu nicht-kommerziellen Zwecken genutzt werden. Bildnachweis: Foto von Jon Tyson auf Unsplash
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