Unternehmerisches Denken – ist denn das zuviel verlangt?

13. November 2015 - Ralf Hildebrandt

„Wow – das wär´ was, wenn ihre Leute so denken würden wie sie!“

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden das als Externer einem Geschäftsführer einer mittelgroßen GmbH auf seine Forderung nach mehr unternehmerischem Denken in den eigenen Reihen entgegnen. Es gehört schließlich zu den Selbstverständlichkeiten, solches zu fordern. Und durch einen Impulsvortrag zu untermauern! Höchstens ein Praktikant würde sich während des Vortrags der Chefin aus der Deckung trauen. Und seinem Kollegen beim Anblick des entsprechenden Slides ein „aber wir sind doch die Mitarbeiter?“ ins Öhrchen flüstern. 

Der bewusste Umgang mit Begriffen ist bei hoher Dynamik wichtig. Damit kann man Denkfallen entwischen. Und auch Verschwendung vermeiden (= Nutzen moderner Beratung). Es lohnt sich, darauf zu achten. Man stelle sich vor, jemand macht „unternehmerisches Denken“ als Erfolgsfaktor aus – und das gibt es! – dann ist eine Reihe von (nutzlosen) Seminaren die Folge.

Im Prinzip ist es mit dem unternehmerischen Denken ganz einfach. Wenn ich kein Unternehmer bin und trotzdem wie ein Unternehmer denke, ist ´was falsch. Ich denke so, als wäre ich jemand anderes, der ich aber gar nicht bin. Das wäre natürlich der Traum eines jeden Unternehmers, wenn seine Mitarbeiter so denken wie er. 

Man blowing smoke at his own reflection.

Ein Unternehmer muss denken: wo ist das Risiko, wo ist die Chance und was mache ich als nächstes? Gehe ich ein Risiko ein und unter welchen Bedingungen gehe ich es ein? Wenn ich erfolgreich ein Risiko eingehe, mache ich Gewinn. Wenn ich dabei verliere, trage ich die Konsequenzen und den Schaden.

Bei diesem ganzen unternehmerischen Denken und Handeln spielt der Mitarbeiter keine Rolle. Er ist dem ausgeliefert. Wenn der Unternehmer erfolgreich ein Risiko eingeht, dann hat das Unternehmen eine Zukunft. Und ein Mitarbeiter hat auch etwas davon. Wenn nicht, dann nicht. Aber Einfluss hat der Mitarbeiter auf die Entscheidungen eines Unternehmers nicht.

Außer man begeht einen romantischen Irrtum und stimmt ab. Demokratie im Unternehmen. Dann denkt niemand mehr unternehmerisch, einschließlich des Unternehmers. Denn der Unternehmer entscheidet jetzt nicht mehr, sondern die Mehrheit. Keine gute Idee. Dadurch wird das Unternehmen bewusstlos. Es hat keinen Unternehmer mehr und ist dann auch kein Unternehmen mehr. Es torkelt wie ein Korken auf dem Wasser.

Und trotzdem ist die Forderung unternehmerisch zu handeln eine Selbstverständlichkeit. Was genau steckt dahinter? 

Deutlich gesagt? Es ist der (unbewusste!) Versuch, die Mitarbeiter hinter das Licht zu führen: wir sind alle erfolgreich, wenn ihr genauso denkt wie ich. Ob der Unternehmer ein tatsächlicher Unternehmer ist oder ein Manager, der den Aktionären dient, ist dabei egal. Es geht immer um die Aufforderung: benutzt nicht eure Interessen, euer Weltbild, eure Risikoeinschätzung, sondern meine. Handelt so, als würde euch das Unternehmen gehören – als würde euch das Unternehmen gehören. Aber niemand denkt daran, dass mir als Mitarbeiter das Unternehmen tatsächlich gehören könnte. Dann müsste mir niemand etwas erklären. Deshalb wird es verlangt: tut so, denkt so, als würde euch das Unternehmen gehören. Und das, was ihr dann tun würdet, sollt ihr tun. Obwohl euch das Unternehmen ja nicht gehört. Oder kurz: benutze nicht deine Interessen, sondern meine.

Was nicht ausgesprochen wird, aber immer gemeint ist: nehmt nur das vom unternehmerischen Handeln, was mir nützt. Was mir schaden könnte nicht.
Zum Beispiel die Entscheidung, wir Mitarbeiter gehen dieses Risiko nicht ein. Sondern wir machen stattdessen dies und jenes. Was würde dann der Unternehmer dazu meinen? Also hört mal, jetzt übertreibt nicht. Das ist zwar unternehmerisches Handeln, aber der richtige Unternehmer bin ich. Ich entscheide, ob wir das Risiko eingehen oder nicht. Dann würde man sofort merken, ob ein Mitarbeiter tatsächlich unternehmerisch gehandelt hätte. Aber wahrscheinlich würde sofort der Hahn abgedreht. 

So eine Ungerechtigkeit! Oder?

Man möge sich vorstellen, jeder Mitarbeiter würde unternehmerisch handeln. Das hieße auch, jeder Mitarbeiter würde eigene Entscheidungen treffen über Risiken und Chancen. Das wär Chaos pur. Denn ein Unternehmen ist schließlich Arbeitsteilung zwischen Unternehmer und Mitarbeiter. Beide Funktionen sind notwendig. Und beide haben verschiedene Interessen.

Der Erfolg des Unternehmens hängt davon ab, ob und wie diese verschiedenen Interessen so zusammen gebracht werden können, dass dabei ein Erfolg entsteht. Aber so zu tun, als wäre das Unternehmen erfolgreich, wenn man diesen Unterschied aufhebt – wir sind alle Unternehmer – das ist naiv, das ist Romantik.

Vielen Dank für das viele Lob in den letzten Tagen. 

Bis nächste Woche!

 

 

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