Zukunftsbild – auf dem Weg nach Mexiko

31. Dezember 2015 - Ralf Hildebrandt

In der Verkehrsfliegerei ist man auf ein verlässliches Miteinander im Cockpit angewiesen. So gab es beispielsweise im Anflug auf Mexiko City meist etwas, was nirgends vorher gedruckt stand. Die Mexikaner waren immer für eine Überraschung gut!
Für solche Fälle war das sogenannte „Approach Briefing“ besonders wertvoll. Man hat mit den Kollegen besprochen, was man so vor hatte falls dieses oder jenes passieren würde. Flöge man im Falle eines Falles nach Acapulco, wie es im Flugplan aufgegeben wurde? Oder doch nach Merida, weil in Acapulco im Moment die Bahn durch ein defektes Flugzeug blockiert ist? Wichtig war ein gemeinsames Bild der Situation. 

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In der dynamikrobusten Organisationsentwicklung nennen wir das „Zukunftsbild“. 

Zunächst einmal unterscheidet man das Zukunftsbild vom Plan. Ein Plan ist ein Versuch, die kommende Realität (die Zukunft) abzubilden. Meist um in den Griff zu bekommen, was kommt. Oder das in den Griff zu bekommen, was kommen muss, wenn man denn alles richtig macht. In trivialer Umgebung eine gute Idee.

Bei Dynamik ist das aussichtslos. Hier hilft ein Zukunftsbild. Es beschreibt die Vorstellung über die Zukunft. Eine Vorstellung, die man als Manager (oder Pilot) im Kopf hat. Ob man es will oder nicht. Das, was im Kopf einfach da ist. Das ist natürlich nicht die „Realität“. Die entsteht bei Dynamik nicht durch verständige Planung.

Zukunft darf auch nicht als ein durch Planung besiegbarer Gegner verstanden werden. Obwohl man das oft beobachten kann, wenn nach „Zukunftssicherheit“ oder „präzisen Forecasts“ gerufen wird. Man muss eben abwarten, was kommt. Ein gemeinsames Zukunftsbild bedeutet stattdessen, die Chancen für den professionellen Umgang mit dem was da so kommen mag, maximal erhöht zu haben. 

Bei der Arbeit daran lernt man kennen, was der andere im Kopf hat. Man kann schließlich nicht verhindern, sich die Zukunft vorzustellen. Das ist oft ziemlich überraschend, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt. Man stellt quasi aus, was man an Verschiedenheit im Kopf hat. Im zweiten Schritt geht es dann darum, ob oder wie man das Bild harmonisieren kann. Wenn man das brauchen kann. Das geschieht durch Austausch von Argumenten: „achso – das wusste ich nicht – dann sehe ich das auch so (oder nicht)“ oder „wo hast du denn das her?“. 

Das Ergebnis: man ist gegenseitig berechenbar, wenn dann tatsächlich die Arbeit losgeht und die Zukunft zur Gegenwart wird. Man wird mehr oder weniger überrascht werden von dem, was da kommt. Und kann nun besser ein Gefühl dafür entwickeln, was denn jetzt der andere macht. Weil man voneinander weiß, welche der Vorstellungen des Kollegen durch die Überraschung enttäuscht wurde. Oder man bekommt umgekehrt ein besseres Gefühl dafür, welcher Kollege am besten zu einer plötzlich aufgetretenen Geschäftsgelegenheit passt. Das macht das Leben viel weniger hektisch. Und viel mehr professionell. 

Man muss sich keine Sorgen machen, ob es die richtigen Themen sind. Darum geht es nicht. Die sind sowieso falsch. Vielmehr geht es darum, jemand anderem Mut zu machen, darzustellen, was er so im Kopf hat. Denn streng genommen weiß man gar nicht, was man im Kopf hat (Verschriftlichung hilft enorm, um das eigene Zukunftsbild kennen zu lernen). Man ist meist sehr gnädig mit sich selbst! So ist das menschliche Hirn gebaut – kaum rückt etwas anderes in den Vordergrund merkt man erst, was man eigentlich gerade im Kopf hatte. Das macht den Abgleich mit den Kollegen so furchtbar schwierig. So schwatzt jeder etwas vor sich hin – es konvergiert nichts. 

Dynamikrobuste Kommunikation (unter Managern oder auch Piloten) kann man dadurch erreichen, dass man sich also „vorstellt“, was da so in den Köpfen herumschwirrt. Aber wichtig ist auch, welches Gefühl man dabei hat! Angst? Freude? Mut? Gelassenheit? Gleichgültigkeit? 
Je besser man sich miteinander auskennt, umso belastbarer wird die Gruppe. Oder das Team. Es wird dann schwieriger, auf dem linken Fuß erwischt zu werden. Wie im Cockpit in einem Notfall. Ein Riesenvorteil! 

Meist ist allerdings das Gegenteil der Fall. Die Arbeit am Zukunftsbild ist unbekannt. Man ist nur gewohnt, freundliche Formalitäten auszutauschen. Die kleinste Überraschung würfelt die Gruppe dann durcheinander und Krisen werfen sie um. Hilflosigkeit. Leute werden ausgewechselt – Köpfe rollen.  

Man stelle sich vor, es bricht ein Feuer an Bord aus und Pilot und Copilot reagieren völlig verschieden – nur weil Krise ist. Dann muss man alles neu erfragen. Man kennt den anderen ja nun gar nicht mehr. Die Kollegialität stünde ausgerechnet im Notfall nicht mehr zur Verfügung. Und die Zeit dafür steht auch nicht zur Verfügung. 

Eine gemeinsames Zukunftsbild ist eine sehr nützliche Sache. Man kann sicher nicht jedes Szenario besprechen wollen – aber man wird bestimmt dafür sorgen können, dass es nicht ganz so wild wird. 

In diesem Sinne – dynamikrobuste Grüße und die besten Wünsche unseren Lesern für 2016!

Bis nächste Woche!

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