Das letzte Hemd

„Was muss eine gute Führungskraft mitbringen?“, liebe Leserinnen, werte Leser?

Was das sein könnte, wird öfter gegoogelt, dafür scheinen sich viele zu interessieren. Googelt man „was muss eine gute …“ erscheint „Führungskraft mitbringen?“ an fünfter oder sechster Stelle, irgendwo zwischen „Matratze kosten?“ und „Waschmaschine haben?“. Nach etwa einer halben Sekunde erscheinen dann jede Menge Listen, die merkwürdigerweise immer 5 oder 10 aber nie 4 oder 13 Posten enthalten. Ganz oben auf solchen Listen steht, dass gute Führungskräfte ihr Team nach Kräften unterstützen.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Für Helfernaturen, junge Führungskräfte oder solche, die noch welche werden wollen (und googeln, worauf es dabei ankommt), wäre vielleicht noch der folgende Hinweis hilfreich:

Nach Kräften unterstützen ist okay. Verwöhnen nicht.

Die beiden liegen nah beieinander und wenn sie unbemerkt ineinander übergehen (weil das möglich ist) lauert hier eine üble Falle. Die stellt sich auf, weil Helfen moralisch konnotiert ist. Es gehört sich, dass man anderen hilft. Wenn man von jemandem darum gebeten wird, sowieso. Wer anderen hilft, ist gut. Je mehr man hilft, umso „guter“ ist man. Im Bemühen darum, eine gute Führungskraft zu sein, geben (gute) Führungskräfte alles für ihr Team. Das wird auch gerne angenommen. Und wer um Unterstützung gebeten wird, und helfen kann, wird bald um mehr Unterstützung gebeten, und wird mehr Hilfe geben. Dass man dabei seine Leute in Watte packt, bekommt man gar nicht mit. Unbemerkt dämpft man die Härte der Probleme, mit welchen sie sich eigentlich beschäftigen müssten, übernimmt das Schwierigste davon gleich selbst. So wird aus gut gemeinter Unterstützung schleichend schädliche Verwöhnung. Man gibt sein letztes Hemd, aber statt des erhofften Topteams handelt man sich einen Haufen Jammerlappen ein und bewegt sich selbst bald jenseits eigener Möglichkeiten, weil die Lappen alleine gar nichts mehr hinbekommen.

Damit gute Führungskräfte auch welche bleiben, müssen sie deshalb Unterstützung von Verwöhnung unterscheiden können:

Unterstützung ist okay, Verwöhnung schadet.

Verwöhnung raubt Verwöhnten die widerständige Lernumgebung, die sie für ihre Entwicklung brauchen und für Verwöhner führt sie geradewegs in die Überlastung. Ganz oben auf den Listen über die Eigenschaften guter Führungskräfte sollte stehen:

Gute Führungskräfte unterstützen ihr Team nach Kräften – sind aber nicht berechtigt, sich dabei zu überlasten.

Bis übernächste Woche!