Erst die Pflicht!

3. November 2017 - Ralf Hildebrandt

Erst die Pflicht und dann die Kür. Nicht wahr?

Haben Sie gewusst, dass das Pflichtprogramm im Eiskunstlauf schon seit 2010 abgeschafft ist, werte Leserinnen und Leser?

Ok. Sie wussten das. Es gab also einmal eine Zeit, da mussten die Läuferinnen und Läufer bestimmte Figuren auf dem Eis ganz genau nachziehen. Erst, wenn man das überstanden hatte, ging es zur Kür. Da wollte man alles andere als nachgezogene Linien sehen. 

Um sich der Marktdynamik zu erwehren, beginnen die meisten Unternehmen damit, neue Pflichtprogramme ins Eis zu ritzen. Sie sanieren zuerst die Prozesse. Da ist man zu Hause. Meist ist das ein Reflex. Vielleicht spielt dabei auch das umfangreiche beraterische Angebot eine Rolle. Muss man nur die Hand aus dem Fenster halten. Und man hat sich daran gewöhnt, dass die Prozesslandschaft immer einmal wieder gerade gezogen gehört. Erst einmal kümmert man sich also um das Fundament des Ganzen.

Dann kann man sich immer noch der Tanzerei widmen. 

(Paarlauf – hatten Sie etwa Eistänzerinnen / Tänzer erwartet?)

Nur – gesteuerte, blaue Prozesse sind gar nicht das Fundament moderner Organisation. Das schleicht sich zwar leicht ins Denken ein. „Blau“ als Pflicht und dann „Rot“ als Kür. Das ist aber ein Irrtum. 

Wenn Überraschendes durch die Ritzen drückt und nicht von (zumindest etwas) Rotem aufgefangen wird, stichelt es direkt auf den Prozessen herum. Die sind dann ungeschützt. Das letzte, was ein Prozess gebrauchen kann ist etwas, was er noch nie gesehen hat. Da wird er ganz unrund und gerät ins Stottern. Wenn weiter gestichelt wird, bleibt er vollends stehen. 

Wenn man ihm ausgerechnet jetzt (unter rotem Dauerbeschuss) verständlicherweise unter die geschwächten Ärmchen greifen will (Optimierung), wird es nur noch schlimmer. Er entzündet sich an den roten Nadelstichen und bläht sich auf.

Rotes in einen Prozess einbauen zu wollen, ist Verschwendung.

Sanierung ist nur möglich, wenn man der Dynamik etwas entgegensetzt, bevor sie auf den Prozess trifft. Schaut ein gelassener Manager genauer hin, erkennt er vielleicht, dass das häufig schon geschehen ist. Und der Prozess bereits eine intelligente Begleitung erhalten hat. In Form des Kollegen Friedrich, der sich kümmert. Allerdings – selten wird eine solch intelligente Kopplung auch als solche erkannt. Vielmehr wird darin ein Hinweis gesehen, dass der Prozess noch immer Fehler enthält. Sonst müsste sich der Fritz ja nicht damit beschäftigen. Eine blaue Falle.

Prozesse können nur auswählen. Sie bleiben stehen, weil irgendetwas außerhalb der Regel ist. Dann haben sie keine Idee. Sie können keine Entscheidung treffen.

Deshalb: je höher die Dynamik, desto mehr Fritze. Das geschieht ganz von selbst. Das ist kein Manko. Sondern eine vernünftige Entwicklung. Denn dann schnurrt er wieder wie ein Kätzchen (der Prozess – nicht der Fritz). 

Bis übernächste Woche!

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