Läuft – ganz ohne Hierarchie!?
3. Februar 2017 - Ralf Hildebrandt
Wer sich der Konkretheit einer Denkwerkstatt hingibt, kann ´was erleben, liebe Leser.
Es beginnt nie wie geplant. Ganz egal, ob man mit viel Liebe zum Detail eine Agenda ausgearbeitet hat (ja, zeigen Sie ruhig ein wenig Mitgefühl!). Da hält sich niemand dran, wenn die Neugier groß ist. Es fängt einfach irgendwo an: „Ah – bevor wir loslegen… es gibt etwas, was wir unbedingt besprechen müssen… – das muss noch drauf… oder können wir jetzt gleich?“ – „Natürlich.“. Und schon geht es los. Ob es sich dabei nur um einen Gedanken handelt, sich sprachlich etwas verhakt hat, oder es tatsächlich um ein „Problem“ geht, stellt sich dabei erst langsam heraus.
Gar nicht so selten sitzt man einer Mode auf. Irgendjemand hat einem einen Floh ins Ohr gesetzt. Zu den populären Flöhen gehört in jüngerer Zeit die „hierarchie-freie Organisation“. Sie kennen das wohl – es kommt in der Praxis etwa so daher:
- „Traditionelles Management muss man durch Selbstorganisation ersetzen, oder? Wie soll das gehen? Macht dann jeder, was er will?
- „Teams treffen viel bessere Entscheidungen als ihre Manager – die wissen doch gar nicht Bescheid… also wozu…?“
- „Bedeutet weniger Macht nicht mehr Motivation? Man könnte schneller umsetzen, was man für richtig hält“
- Und: „Bei spotify gibt´s auch keine Chefs – auf 2 Ebenen könnten wir hier auch verzichten“
Wir wissen nicht, wie viele Hierarchie-Ebenen es bei spotify gibt. Und sicher ist es in vielen Fällen auch ein Kreuz mit dem eigenen Manager. Aber hier geht so einiges Durcheinander. Macht und Hierarchie scheinen irgendwie dasselbe zu sein. Es gibt Management-Exorzisten, die die Nieten vor die Tür fegen wollen. Richtige Entscheidungen haben etwas mit der Anzahl der Kästchen im Org-Chart zu tun. Und so weiter. Versuchen wir einmal, Licht in die Sache zu bringen.
Die Auffassung, dass es Organisation ohne Hierarchie geben könnte, ist romantisch.
Es ist einfach ein Irrtum. Es ist zwar zur Zeit sehr populär. Aber auch das Dschungelcamp ist populär. Organisation ohne Hierarchie ist schwachsinnig – das kann man nicht deutlich genug sagen. Warum?
- Ein Unternehmen ist eine Organisation. Oder andersherum: ein Unternehmen benötigt Organisation, um eines zu sein.
- Eine Organisation braucht eine Adresse – sonst ist sie keine. Eine Organisation ist ein System, welches ansprechbar sein muss.
- Die einzige Möglichkeit, eine Adresse zu erzeugen, ist Hierarchie.
Wenn ich etwas kaufen will, muss ich mich an jemanden wenden können – an eine Adresse. Wenn ein Unternehmen mangels Adresse meine Frage nicht beantworten kann, kann es nicht mitspielen. Ohne Hierarchie keine Adresse.
Eine Netzwerkorganisation, die nicht bei Bedarf schnell Hierarchie bilden und entwickeln kann, ist nicht ansprechbar. „Was gibt es denn bei euch? Wer seid ihr? Was kann man mit euch anfangen?“ Jede Anfrage liefe ins Leere. Bei der Diskussion um Netzwerkorganisationen wird das immer vergessen. Das Netzwerk selbst kann zwar etwas mit sich anfangen. Aber es kann keine kommunikative Verbindung zu anderen aufbauen. Nur zu sich selbst. Reckt irgendjemand aus dem Netzwerk den Kopf und erklärt sich als Ansprechpartner, erzeugt das Hierarchie.
Hierarchie ist eine vertikale Unterscheidung. Wenn man sie ganz nach oben geht, landet man bei einer einzelnen Einheit. Ob Hierarchie Macht benötigt, um nützlich zu sein, ist eine andere Frage. In den meisten Organisationen wohl schon. In jedem Fall sind Macht und Hierarchie zwei verschiedene Themen. Macht bedeutet, dass die, die weiter unten sind, die Interessen derer darüber für das eigene Handeln benutzen. Oder anders herum: ich habe Macht, wenn es jemanden gibt, der meine Interessen für sein Handeln benutzt. Und nicht seine eigenen (es kennt bei weitem nicht jeder die eigenen Interessen!). Um Machtstrukturen funktional nutzen zu können, benötigt man in jedem Fall Hierarchie.
Bis übernächste Woche!
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