Lernen auf Vorrat? Oder Üben wenn´s drauf ankommt?

6. Juni 2025 - Ralf Hildebrandt

Werte Leserinnen, liebe Leser,

wenn Sie arbeiten lösen Sie Probleme, mit und ohne Unterstützung. Probleme sind Zustände oder Situationen, die nicht ohne Schaden ignoriert werden können. Falls Sie im Job kein Neuling sind, werden Ihnen die meisten Ihrer Probleme größtenteils bekannt sein. Bekannte Probleme bearbeiten Sie wie üblich, beziehungsweise methodisch. Die Bearbeitung des praktisch immer vorhandenen relativ kleinen unbekannten Anteils (größtenteils bekannter Probleme) übernimmt dabei Ihr gesunder Menschenverstand – wenn im Drucker das Papier fehlt behindert das die Problemlösung nicht.

Wenn das in einer Methode gespeicherte Wissen jedoch nicht zum Problem passt, und sich auch keines finden lässt (mithilfe von KI oder bei Kollegen), dann brauchen Sie eine Idee. Ideen sind problembezogene Gedanken und noch kein Wissen, sondern Wissensvermutungen (wie Sie das Problem lösen könnten). Der Verstand hat keine Ideen, er kann sie nur erkennen. Ideen werden vom Gefühl erzeugt und problemlösende Gefühle entwickeln Sie immer dann, wenn Sie wenigstens ein bisschen fürs Problem geschaffen sind. Und das wiederum können Sie daran erkennen, dass Sie sich mit dem Problem beschäftigen, weil Ihr Gefühl nicht locker lässt, obwohl die Beschäftigung mit neuen Problemen ziemlich anstrengend ist – „hundertmal“ anstrengender als das Anwenden einer Methode.

Für Kopfmenschen – auch das Gefühl „sitzt“ im Gehirn. Was Wohland Verstand und Gefühl nennt, heißt bei  Nobelpreisträger Kahnemann langsames und schnelles Denken.

Wie genau Ihr Gefühlsapparat mit neuen Problemen umgeht kann Ihnen niemand sagen, jeder Mensch reagiert anders. Im Gegensatz zu Methoden lässt sich der Umgang mit unbekannten Problemen nicht lernen oder auf Vorrat schulen. Wenn Sie sich darauf vorbereiten wollen, was sinnvoll wäre, weil der Anteil neuartiger Probleme unter hoher Dynamik stetig zunimmt, dann müssen Sie üben. 

Üben heißt, mit Problemen selbst umzugehen, um festzustellen wann und unter welchen Umständen Sie sich in Bezug auf deren Lösung gefühlsmäßig „optimal“ verhalten,

morgens vor dem Frühstück, abends vor dem Schlafengehen, im Auto oder unter der Dusche, beim Yoga, wann auch immer. 

Im Gegensatz zum Erlernen von Methoden, für deren Nutzung Ihre Persönlichkeit praktisch keine Rolle spielt (vom gesunden Menschenverstand einmal abgesehen), geht´s beim Üben nur um Sie – oder anders:

Üben ist nichts anderes, als den Umgang mit sich selbst im Umgang mit neuen Problemen zu erlernen.

Dafür könnten Sie sich zum Beispiel fragen:

„Wie muss ich mit mir umgehen, damit die Wahrscheinlichkeit einer guten Idee steigt?“

Bis übernächste Woche!

 

 

 

 

 

Creative Commons Lizenzvertrag   

Der Inhalt des Posts ist lizenziert CC-BY-NC-ND. Er kann gerne jederzeit unter Namensnennung und Link zu nicht-kommerziellen Zwecken genutzt werden. Bildnachweis: Foto von Dane Wetton auf Unsplash

Neue Blogposts gibt es 2-wöchentlich. Wenn Sie möchten, bestellen Sie die Beiträge hier kostenlos: