Vorsätzliche Wertschätzung

17. Januar 2025 - Ralf Hildebrandt

Liebe Leserinnen, werte Leser,

frohes neues Jahr!

Es beginnt, jedenfalls hier, mit einer Frage: Was tun Führungskräfte deren Leute sich über mangelnde Wertschätzung beklagen?

Wertschätzung ist wichtiger denn je. In Erhebungen zur Jobzufriedenheit geben 9 von 10 Beschäftigten an, dass ihnen die Anerkennung ihrer Arbeit mindestens so wichtig ist wie das Gehalt. Gehalt gibt´s sowieso, aber Wertschätzung, naja, da liegt noch vieles im Argen. Knapp die Hälfte aller Führungskräfte zeigt in Sachen Wertschätzung deutliche Defizite, ein Trost, dass es auch noch die andere Hälfte gibt.

Was macht man also als Führungskraft, wenn man von seiner Vorgesetzten im Jahresendgespräch vor ein paar Wochen gesteckt bekommen hat, dass für eine gute Beurteilung im nächsten Jahr beziehungsweise diesem wertschätzungsmäßig noch eine Schippe draufzulegen ist. Verständlicherweise wird man seine Chefin kaum fragen wollen, wie der Mangel denn zu beseitigen wäre, weil man seine Leute natürlich wertschätzt, in letzter Zeit aber eben so viel los war, dass das irgendwie untergegangen ist. Statt der Chefin fragt man deshalb also erst einmal (s)einen Chatbot, was denn Berater so empfehlen würden. Hier ist eine kleine Liste: 

  • Schenken sie Aufmerksamkeit, zeigen sie Interesse an den Herausforderungen und Leistungen der Mitarbeitenden
  • Pflegen sie Kommunikation auf Augenhöhe, kommunizieren sie ehrlich, klar und offen 
  • Nehmen sie eine respektvolle und unterstützende Haltung ein, gestalten sie Feedback in jedem Fall konstruktiv
  • Geben sie regelmäßig anerkennendes Lob und in jedem Fall spezifisch, sowohl verbal als auch schriftlich
  • Und schließlich – vergessen sie auch die Kleinigkeiten nicht, zum Beispiel persönliche Glückwünsche zum Geburtstag 

Liest sich doch ganz gut, alles da. Damit lässt sich was anfangen, die defizitäre Führungskraft muss sich die Handlungsempfehlungen nur noch fürs neue Jahr als Vorsatz nehmen und umsetzen.  

Oder liest sich das, trotz der vielen schönen Begriffe, irgendwie hohl? Wenn dem so ist, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass in der Liste, wie so oft, wenn es um Gefühle geht, zeigen und haben verwechselt wird:

Wertschätzung zeigen lässt sich machen, Wertschätzung haben nicht.

Hohl kann es werden, wenn Wertschätzung gespielt werden soll oder muss. Wenn man seinen Leuten gegenüber Wertschätzung hat, können die aufs Spielen verzichten. Sie werden es sogar verschmerzen, wenn es keine persönlichen Glückwünsche gibt, und wahrscheinlich auch, wenn man keine Kommunikation „auf Augenhöhe“ pflegt, was auch immer damit gemeint sein soll. Wenn Wertschätzung spielen und vom Bot gefertigte Listen nicht helfen, dann lautet die Denkalternative: 

Wertschätzung entsteht, wenn oder wo man sich braucht.  

Wenn man seine Leute nicht braucht, sondern nur ihre formale Hülle (ihr Skillprofil), und die einfach nur den in ihrer Jobbeschreibung beschriebenen Job machen sollen (und das genügt), dann wird auch formale Wertschätzung genügen (per Grußkarte oder Aushang als Mitarbeiter des Jahres). Wenn das aber nicht reicht, weil man bei der Arbeit gegenseitig aufeinander angewiesen ist, dann ist Wertschätzung keine Formalität, und auch sicher nicht der Job einer Führungskraft, sondern ein Gefühl:

Wertschätzung ist die bestätigende Gewissheit (ein Gefühl), dass auch andere wissen, wie wertvoll die eigene Arbeit für das Unternehmen ist – weil man sich braucht.

Bis übernächste Woche!

 

 

 

 

 

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