Zahlen oder unterscheiden?

31. März 2023 - Ralf Hildebrandt

Liebe Leserinnen, werte Leser.

Der Titel soll keine Drohung sein, auch wenn das Beitragsbild vielleicht danach aussieht.

„Zahlen oder unterscheiden?“ soll auf die für die Entwicklung moderner Unternehmen unterschiedliche Verwendung von Zahlen und Unterscheidungen (oder Denkwerkzeugen) aufmerksam machen.

Zahlen sind hilfreich, um Unternehmen (oder Teile davon) unter geringer Dynamik, also in überraschungsarmer Umgebung, zu organisieren. Überraschungsarm bedeutet, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit von gestrigen auf zukünftige Erfolge geschlossen werden kann – Zukunft und Vergangenheit sind vergleichbar. Die Zahlen vergangener Erfolge kann man kennen, und wenn das nächste Jahr in etwa so wie das vergangene wird, dann wird künftiger Erfolg auf der Grundlage vergangener Kenn-Zahlen messbar.

Messbar ist, was sich vergleichen lässt.

Oder umgekehrt: Messen ist der quantitative Vergleich mit einer gesetzten Größe. Um sich mit der eigenen, oder der Vergangenheit anderer Unternehmen zu vergleichen, genügen oft nur wenige Zahlen. Ein paar „Benchmarks“, und schon weiß man, wie es um eine Organisation (oder Teile davon) steht. Wer da genau und mit welchem Talent an was arbeitet (und die Zahlen erzeugt) muss man dafür nicht wissen.

Um Unternehmen erfolgreich zu managen, kam es lange Zeit vor allem auf „die“ Zahlen an. Die Mathematik der Tabellenzellen war das gewohnte Erkenntnismittel, um Korrektheit und Leistung tayloristischer Organisationsgestaltung zu überprüfen. Für alles, was wichtig war, gab es eine messbare Größe. Man wusste, „what gets measured, gets done“. Inzwischen hat sich viel geändert. Mit der Globalisierung ist die Markdynamik angestiegen, Überraschungen gibt es reichlich, die Realität moderner Unternehmen ist längst komplex. Dabei handeln viele klüger, als sie denken. Ihre Organisationen haben sich den veränderten Bedingungen angepasst, nur das Denken hinkt der Entwicklung noch hinterher. Wenn es drauf ankommt, dominieren noch immer die Zahlen, obwohl es (nur) auf die schon längst nicht mehr ankommen kann. Dynamische Marktumgebung birgt Überraschungen und die wiederum viel Unbekanntes.

Unbekanntes lässt sich naturgemäß nicht messen, mit was sollte man es auch vergleichen.

Wenn aber mangels geeigneter Unterscheidungen (Denkwerkzeuge) zur Steuerung auf Zahlenbasis keine Denkalternative zur Verfügung steht, bleibt es beim Messen und der Orientierung auf Kennzahlen. Das Management Cockpit bekommt ein paar Instrumente dazu, Planung und Kontrolle werden ausgebaut.

Für die dynamischen Anteile des Geschäfts ist Steuerung aber grundsätzlich untauglich, auch dann, wenn sie mit hohem Aufwand und immer neuen „Tools“ verfeinert wird. Vieles, was im Umgang mit Komplexität entscheidend ist, ist nicht trivial (Kreativität, Fantasie, Initiative). Und das Wichtigste, um auf überraschende Dynamikprobleme reagieren zu können, sind Ideen. Ideen sind nicht messbar, sie können nur von talentierten Könnern, die sich immer auch irren können, beurteilt werden.

Kurzum: Berechenbarkeit und komplizierte Zahlenwerke bleiben auch heute noch wichtig. Für den erfolgreichen Umgang mit einer komplexen Marktumgebung (Überraschungen), sind sie aber nicht mehr entscheidend. Dafür sind sie viel zu kompliziert.

Genauso wichtig wie der professionelle Umgang mit harten Zahlen, ist der Umgang mit den messerscharfen Begriffen dynamikrobuster Unterscheidungen,

wie beispielsweise der von kompliziert und komplex oder der von messen und bewerten. Moderne Organisationsentwicklung kann auf beides nicht verzichten.

Bis übernächste Woche!

 

 

 

 

 

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