Zum Jagen getragen

15. Februar 2019 - Ralf Hildebrandt

So manches muss (bzw. soll) „richtig“ kommuniziert werden, werte Leserinnen und Leser. 

Wenn etwas richtig kommuniziert wird, lesen es auch die Leute. So ist die Abteilung Unternehmenskommunikation zum Beispiel dafür verantwortlich, dass die Unternehmensstrategie kommuniziert wird. Wenn die Damen und Herren ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht haben, gibt es in der nächsten Mitarbeiterbefragung Punktabzüge. „Von 0 bis 10: Wie gut haben sie die Strategie verstanden?“ „Es gibt eine Strategie?“ Oder: „Nix verstanden: 2“.  

Womöglich meinen Sie jetzt, das störe nicht weiter. Weil man aus Mitarbeiterbefragungen ohnehin nichts über die Organisation erfahre (falls das die Absicht war). Okay. Und die Strategie habe wenig mit dem Alltag zu tun; man daran aber gewöhnt sei. Auch okay. Gekauft. Kein gutes Beispiel. Ein neuer Anlauf.

Streichen Sie bitte die Begriffe „Strategie“ und „Mitarbeiterbefragung“. Nehmen Sie stattdessen einfach an, es ginge um die Kommunikation von etwas Wichtigem. Genaugenommen geht es um die Mitteilung von etwas Wichtigem. Was der Empfänger daraus macht, wird man dann sehen. Es ginge also um irgendetwas für irgendwen, den Sie im Visier haben. Sie denken sich, dass muss in deren Interesse sein und wollen unbedingt, dass man es zur Kenntnis nimmt. Es werden also keine Kosten und Mühen gescheut. Sie beauftragen eine Agentur, die Ihre Message sexy verpacken soll (damit sie ganz bestimmt gelesen wird). Die Hipster der Kommunikations-Agentur raten zum Vintage-Look inklusive Silberstreif am Horizont. Ist sehr angesagt. Das Format der Broschüre? Ist nicht so wichtig. Hauptsache kein A4. Und matt. Matt muss es sein. 

Gesagt, getan. Die Broschüren haben ein Heidengeld gekostet, das Layout ist spitze. Sie fassen sich toll an. Und drei Kollegen haben sich in letzter Sekunde noch den Kopf über die finale Farbgestaltung zerbrochen. Und jetzt? Jetzt liegen die Dinger stapelweise herum. Die Message verhallt – das Volk liest lieber Wochenblatt. 

„Kommunikation“ ist nicht das Herstellen einer Broschüre (oder Ähnlichem), damit andere sie mit nach Hause nehmen und dort gefälligst auch lesen.

Oder einen Zahn schärfer im Kontext moderner Organisation:

Wenn jemand etwas macht, nur weil es von ihm gefordert wird, ist es nichts wert. 

Wenn Sie die Kraft derer, die Sie auf Ihrer Seite haben müssen, nutzen wollen, stellen Sie es auf den Kopf. Nutzen Sie Neugier, statt jemanden zum Jagen zu tragen:

Drucken Sie Ihre Broschüre. Und sorgen Sie dafür, dass man sie nur bekommen kann, wenn man vor 7 Uhr aufsteht, sie persönlich in Ihrem Büro abholt und dabei Ihren Kaffee nicht vergisst. Sonst gibt es keine Broschüre. Wenn jetzt trotzdem jemand vorbeikommt und eine haben will, haben Sie Neugier genutzt. Das ist die Lernumgebung, die Sie sich schaffen müssen. Unter Freiwilligkeit lässt sich lernen. Wenn jemand zwar ohne Kaffee kommt, aber gegen 7 Uhr und bekundet, dass er auch gerne eine Broschüre hätte, dann seien Sie nicht so streng und geben Sie ihr eine. Und freuen Sie sich darüber, dass Sie wohl etwas Nützliches geschrieben haben.

Erst wenn man Neugier erzeugen kann, kann man Kommunikation erzeugen.

Alles andere ist Theater (das kann auch eine Absicht sein). Neugier nutzen bedeutet, dass man die Interessen und die Lebenslage der Angesprochenen kennt. Nur dann kann man ein Gefühl dafür entwickeln, für was sich jemand anderes wohl interessieren könnte. 

Bis übernächste Woche!

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