Schnittstellen symmetrisieren – Basis für Selbstorganisation (DZ #8)

13. Juli 2015 - Ralf Hildebrandt

Wir betrachten hier als Beispiel die Schnittstelle zwischen Zentrum und Peripherie eines Unternehmens und die Unverträglichkeit von Steuerung und Dynamik (siehe Denkzettel DZ#4 & 5 in diesem Blog).

In tayloristischer Organisation werden die dezentralen Prozesse der Wertschöpfung ständig nach Abläufen abgesucht, die einander ähnlich sind. Diese werden ausgelagert und zentral zusammengefasst. So entstehen mächtige zentrale Dienstprozesse, die die Wertschöpfung beliefern. Da das Zentrum nur liefert, die Wertschöpfung nur erhält, nennen wir eine solche Schnittstelle asymmetrisch. Solange die Steuerung des Ganzen funktioniert, können so Skaleneffekte erzeugt werden. Das heißt: Die Kosten sinken, die Qualität steigt. Ein geniales Konzept.

Steigt jedoch die Dynamik, so verliert ein steuerndes Zentrum seinen Überblick. Die asymmetrischen Schnittstellen werden „steuerungslos“. Chaos entsteht. Die meisten Unternehmen versuchen, ihre Steuerung zu „reparieren“. Aussichtslos, denn sie ist ja nicht kaputt, nur ungeeignet für Dynamik. Dort, wo Dynamik dominiert, heißt die Alternative nicht bessere Steuerung, sondern Symmetrisieren der Schnittstellen und Umschalten auf Führung.

Denkzettel #8

Die Reintegration des Alltags in die Verantwortung der peripheren Wertschöpfung symmetrisiert diese Schnittstelle. Das erzeugt Selbstorganisation ohne Steuerung.

Höchstleister schaffen dazu einen Teil der Leistung zurück auf die andere Seite der Schnittstelle. Jetzt sind beide Seiten auf die Leistung der anderen angewiesen. Diese gegenseitige Abhängigkeit erzeugt Selbstorganisation, die bekanntlich keine Steuerung braucht. Am Beispiel Zentrum und Peripherie heißt das: Der Alltag einer Funktion wird in die periphere Wertschöpfung zurückgegeben, Innovation und Strategie bleiben im Zentrum. Es nützt nichts, eine Funktion als Ganzes auf die andere Seite zu schaffen, also zum Beispiel die EDV zu dezentralisieren. Das ist zwar flexibel, aber viel zu teuer.
Ein Beispiel für Symmetrisierung: Planung und Spezifikation eines Bedarfs werden nicht mehr von der zentralen EDV erstellt, sondern von der Fachabteilung. Ist alles fehlerfrei, so kann die EDV zu dem Termin liefern, den die Fachabteilung errechnet hat. Da sie nun einen gewichtigen Teil der Leistung selbst zu erbringen hat und die Leistungsfähigkeit der anderen Seite kennt, wird sie nur fordern, was nötig und möglich ist. Die EDV muss nicht mehr „mauern“. Steuerung ist unnötig. Die Führung beobachtet nur die Qualität der Selbstorganisation. Im Falle von Schwächen gibt sie – im Interesse beider Seiten – Hinweise, mehr nicht.

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