Alltagsentscheider

24. November 2023 - Ralf Hildebrandt

Werte Leserinnen, liebe Leser,

wenn Sie nicht wissen, dass Vollkornbrot mehr Ballaststoffe als Weißbrot enthält, und Sie sich beim Bäcker für ein gesundes (gesünderes) Brötchen entscheiden wollen, dann fällt Ihnen die Entscheidung schwer. Zumal Ihnen vielleicht beide Brötchen gleich gut schmecken und sie auch noch dasselbe kosten. Tatsächlich fällt Ihnen die Entscheidung natürlich leicht, weil Sie wissen, was gesund ist und was nicht. So leicht, dass eigentlich gar nichts entschieden werden muss und es genügt, die gesündere Alternative auszuwählen. Soll heißen:

Entschieden werden muss (genaugenommen) nur dann, wenn Wissen fehlt und trotzdem gehandelt werden muss.

Oder anders:

Auswahl auf Basis von Gefühl heißt Entscheidung.

Im Alltag unterscheidet praktisch niemand zwischen Entscheiden und Auswählen. Mit Entscheiden ist sowohl wissensbasiertes Auswählen als auch „echtes“, auf Nicht-Wissen basierendes Entscheiden gemeint. Beim Bäcker kann man damit gut leben. Auch in der Softwareentwicklung, meistens jedenfalls , da wird die Auswahl „if then else“ als Entscheidung bezeichnet und auch im Management wird häufiger ausgewählt als entschieden und beides mit Letzterem bezeichnet.

Dass sich die Begriffe Auswählen und Entscheiden irgendwann übereinander geschoben haben, hat Unternehmen unter geringer Dynamik (im vergangenen Jahrhundert) kaum Probleme bereitet, heute (unter hoher Dynamik) können welche daraus werden. Hohe Dynamik bedeutet zum einen, dass viel öfter als früher entschieden werden muss, weil keine Zeit bleibt, das fürs Auswählen benötigte Wissen zu beschaffen oder zu erzeugen. Und zum anderen muss nicht nur (viel) häufiger als früher entschieden werden, sondern obendrein von denen, die sich selbst gar nicht als Entscheider bezeichnen würden. Aber zu solchen geworden sind, weil Entscheidungen immer dort getroffen werden müssen, wo sie benötigt werden, in diesem Fall also im dynamischen (wertschöpfenden) Alltag. Lange war man es anders gewohnt, da konnte zentral (oben) entschieden bzw. meistens in relativer Ruhe auf Basis von Wissen ausgewählt werden. Alltagsentscheider wurden nicht gebraucht und was Entscheider ausgewählt hatten (und also nicht risikoreich entschieden werden musste), hatte Hand und Fuß.

Um in dynamischer Marktumgebung Durcheinander und Konflikte zu vermeiden, wäre es sowohl für Alltagsentscheider als auch für deren Management wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass Wissen, entgegen dem, was man in vielen Unternehmen lange anzunehmen gewohnt war, gar nicht benötigt wird, um die richtige (oder beste) Entscheidung zu treffen, sondern vielmehr um die Menge der notwendigen Entscheidungen auf ein aushaltbares Maß zu reduzieren. Besonders Alltagsentscheider beschleicht sonst das ungute Gefühl dass etwas falsch läuft, weil sie wieder einmal etwas entscheiden müssen, ohne Bescheid zu wissen. Tatsächlich hat aber niemand etwas falsch gemacht. Ohne Wissen entscheiden zu müssen ist ganz normal,

Entscheidung setzt Unwissenheit voraus.

Oder anders:

Was gewusst wird, kann nicht entschieden werden. 

Das muss jetzt nur noch das Management wissen, damit dort nicht in bester Absicht versucht wird die Last der Alltagsentscheider zu reduzieren, beispielsweise durch Zielvereinbarungen. Dazu dann mehr im Beitrag übernächster Woche. 

Bis dann!

 

 

 

 

 

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