Wir bauen uns ein High Performance Team

16. Juni 2015 - Ralf Hildebrandt

Die Situation: man hat einen Zukauf getätigt. Etwa eine Firma, mit der man lange partnerschaftlich verbunden war. Die wird nun einverleibt. Man hatte vielleicht einfach zuviel Geld. Das musste irgendwo hin. Die Shareholder haben Druck gemacht. 

Nun hat man also 2 Kulturen unter einem Dach. So kann das nicht bleiben. Man muss seinen Laden schließlich aufräumen. Die Kulturen sollen sich gegenseitig befruchten. Man mischt die Mitarbeiter in interdisziplinären Gruppen zusammen. Damit daraus Teams entstehen. Man hat auch einen Fußballtrainer (1. Bundesliga!) eingeladen. Der hält die Keynote und erzählt, wie er Teams formt. Man hat ihn schon oft darum gebeten. Und er erzählt das auch. Dass das eine falsche Frage ist und damit auch die Antworten nichts wert sind, hat seit 5 Jahren niemand bemerkt. Aber die Show ist gut!

Dann werden in Breakout-Sessions Team-Building-Workshops durchgeführt. Bevor man sich gemeinsam an einem Seil in eine Schlucht wirft. Das Erlebnis verbindet und stärkt das Miteinander.

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In den Workshops wird den Führungskräften erklärt, wie man ein Hochleistungsteam aufbaut: 

1. Eine Vision aussuchen, die so groß ist, dass es einer alleine nicht packen kann – richtig fett!
Die Vision muss „energizing“ sein. Evtl. sogar eine negative Vision als Bottom Line. Ein bisschen „frightening“. Versager will keiner sein.
2. Verzicht! Opfer müssen sein. Das muss man klar machen! Eine Vision gibt schließlich die Chance dramatisch zu wachsen. Das geht an die Nerven. Seid vorbereitet. Es wird hart.
3. Ability! Top Performer sind fähige Performer. Ability = Mastery of Skills. Jeder Spezialist im Team muss 100% Job Excellence in seinem Bereich bringen. 
4. Agility! (bei Bedarf auch Flexibility). Jeder muss für den anderen einstehen – Muske(l)-Tiere!
5. Unglaublicher Hunger nach Erfolg – Sie als Leader müssen dieses Verlangen säen. Machen Sie die Leute hungrig auf Erfolg – wie ein Rudel Wölfe.

Was meinen Sie jetzt? Wenn Sie selbst in solchen Sitzungen „gecoacht“ werden würden? Glauben Sie, Sie könnten entrinnen? Diese Breakout-Session-Agenda ist keine Phantasie. Das wird so durchgeführt. Wie das passieren kann? Das kann jedem Manager schneller passieren als man es selbst glauben mag. Denn es ist üblich. Weil es einmal funktioniert hat. Ein trainierter Reflex.
Irgendwann nach der Akquisition hat jemand gefragt, WIE man aus der bunten Truppe High Performance Teams machen könnte… ganz unbemerkt hat sich die falsche Frage eingeschlichen. 

Gerhard Wohland meinte kürzlich, dass ein Team ein Geschenk ist. Klingt vielleicht etwas übertrieben. Aber im Prinzip ist es so. Man kann es nicht machen wollen. Im Unterschied zu einer Arbeitsgruppe. Meist wird beides allerdings synonym verwandt. Eine Hochleistungsmaschine dagegen – z.B. einen siegreichen Formel 1 Motor – kann man nachbauen. Nicht einfach zwar. Im Prinzip aber schon. 

Bei Organisationssystemen, bei Sozialsystemen, die auf Menschen angewiesen sind, ist das nicht so. Jedes Team ist eine einmalige Angelegenheit. Es hat eine Persönlichkeit wie ein einzelner Mensch.

Ein Team ist eine Struktur für Höchstleistung.

Nach Rezept lässt sich das nicht zusammenbauen. Würde man fragen, wie man einen Pablo Picasso „macht“, würde jeder sofort merken, dass das eine unsinnige Frage ist. Wie müsste das aussehen, dass nach der Abschlussprüfung ein zweiter Picasso vor uns steht? Ein Team ist zwar keine Person. Aber genauso einmalig wie ein Picasso. Und deshalb ist die Frage, wie ein Team entstanden ist immer konkret, immer einmalig. Immer wieder neu. Und jeder, der schon einmal ein durchgezündetes Team erlebt hat, weiß, dass selbst der Dümmste erkennen kann, dass da etwas Besonderes passiert ist, was es so in einer Arbeitsgruppe nicht gibt. 

Worüber man als Berater also überhaupt berichten kann,  sind die Voraussetzungen, die für die Entstehung eines Teams erfüllt sein müssen. Wir kennen nur eine zwingende: Ansehen. Damit Teams entstehen, sind Menschen mit hohem Ansehen Voraussetzung. Denn die sind für andere mit hohem Ansehen attraktiv. Wenn solchen Menschen ein anziehendes Problem (eine Chance – wer das lieber mag) vorgestellt wird, ist es möglich, dass sie es teilen und dann plötzlich wie eine Einheit zusammenkleben. Wenn sich diese Einheit – dieses Wir – über das Problem hermacht, dann entsteht dieser Effekt der besonderen Zusammenarbeit, den man Teamarbeit nennt. Ein Manager, der bei potentiellen Teamleitern Ansehen hat, hat auch kein Problem Teams zu finden. Er stellt einfach sein Problem zur Schau. Natürlich mit extern referenzierter Konsequenz.

Dann geht es nächste Woche also darum, wie man zu Ansehen kommt. Oder? 

Wie immer der Inhalt als Zündfunke und als Transkript: 

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BMW hat einen neuen Motor gebaut für die Formel 1, der rennt allen anderen davon. Da ist die Frage vernünftig: wie haben die das gemacht? Wie ist der gebaut? Und sobald ich kapieren kann, wie der gebaut ist, kann ich ihn nachbauen. Vielleicht nicht sofort, aber im Prinzip.
Bei Organisationssystemen, bei Sozialsystemen, die auf Menschen angewiesen sind, ist das nicht so. Dort ist jedes Höchstleistungsteam eine einmalige Angelegenheit. Es hat eine Persönlichkeit wie ein einzelner Mensch. Wenn ich, was weiß ich, einen Künstler, nehmen wir Picasso – wie macht man einen Picasso? Da hört jeder: das ist doch Unsinn, das ist die falsche Frage. Die Frage kann man nicht stellen. Man kann die Frage stellen: wenn es einen Picasso gibt, gibt es noch einen zweiten oder einen ähnlichen? Aber man stellt nie die Frage: wie macht man einen Picasso, wie bildet man einen Picasso aus? Wie ist denn der Lehrplan, das Curriculum, wie müsste das aussehen, damit nach der Abschlussprüfung ein Picasso vor mir steht und dann weiß jeder, das ist Quatsch. So geht das nicht. Und bei Teams ist das genauso. Ein Team ist zwar keine Person, aber genauso einmalig wie ein Picasso. Und deswegen ist die Frage, wie entsteht sowas, wie bildet sich sowas, immer konkret, immer wieder neu. Man kann, nur weil man einmal die Bildung eines Teams beobachtet hat, nicht daraus die Hoffnung haben, ok, jetzt weiß ich´s, jetzt mach ich nochmal ein Team, und noch eins und noch eins.
Egal, wie man das Ding nennt, ob das jetzt Team heißt oder anders, es ist einfach eine Gruppe von Menschen, wo selbst der Dümmste sehen kann, da geht etwas vor, was normalerweise nicht stattfindet, wenn Menschen zusammenhocken. Ein durchgezündetes Team, egal wie man es nennt, das spürt man, das sieht man sofort. So wie wenn Picasso seine Friedenstaube malt, ich weiß nicht, wer dieses kurze Video kennt, wo er auf eine Glasscheibe mit einem dicken Pinsel diese Taube malt, die dann Symbol der Friedensbewegung war. Da sieht man, das kann nicht jeder, das schüttelt er so aus dem Handgelenk. Das sieht man, das ist ein Künstler. Und wenn ein Team diskutiert oder sich mit irgendwas beschäftigt und einer guckt zu, dann sieht man: das ist was Besonderes. Das finde ich nicht an jeder Ecke. Und diese Frage: wie macht man sowas, wie kann man dafür sorgen, dass so etwas entsteht, das ist die falsche Frage.
Deswegen gehen wir her und sagen: wenn es eine Voraussetzung für ein Team gibt, dann immer der, der das Team gründet, der das Team provoziert, der andere Leute einlädt, mitzumachen und dessen Einladung dazu führt, dass sich hochtalentierte Leute einfinden.
Wie der das macht, darf man nicht fragen, weil es sich dabei nicht um Wissen handelt, sondern das sind Sachen von menschlicher Körperlichkeit, von Gefühlen, die sich als solche nicht beschreiben lassen. Die einzige Voraussetzung, die wir kennen, damit Teams entstehen, sind Menschen mit hohem Ansehen, die attraktiv sind für andere Menschen mit hohem Ansehen. Und wenn die sich zusammenfinden, kann es schief gehen. Sie kommen zusammen, sind freundlich zueinander, gehen wieder auseinander. Oder sie kommen zusammen, teilen ein Problem und kleben plötzlich als Einheit zusammen und machen sich als Einheit über das Problem her und dann entsteht dieser Effekt der besonderen Zusammenarbeit zwischen Menschen, den wir dann Team oder wie auch immer nennen. Ich nenne das Team. Wenn so was passiert, nenne ich die Gruppe, die dann an einem einzigen Problem hängt, die ein Problem teilt, Team.
Ein Team zu kriegen ist, jetzt übertreibe ich vielleicht ein bißchen, ein Team zu kriegen ist ein Geschenk, das man unverdient bekommt. Deswegen ist die Bemühung vieler Manager – „was muss ich tun, welchen Aufwand muss ich betreiben, dass ich Teams kriege“ – völlig verkehrt herum.
Ein Manager, der Ansehen hat bei potentiellen Teamleitern, hat damit überhaupt kein Problem. Der muss nur ein Problem zeigen und warten, bis das erste Team entsteht, das sich über das Problem hermacht.
Und diesen Effekt der eigenen Person kann ich durch ein bestimmtes antrainiertes Verhalten nicht ersetzen. Entweder ich habe Ansehen oder ich habe keins. Und wenn ich Ansehen habe, für Teamleiter ein Ansehen habe, dann habe ich kein Problem, Teams zu bilden.

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Bis nächste Woche!

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Bildnachweis: iStock/24908289-Lise Gagne.

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