Wo anfangen?

13. Oktober 2023 - Ralf Hildebrandt

Liebe Leserinnen, werte Leser,

Organisationsentwicklung beginnt unter hoher Dynamik immer beim Problem. Wir definieren ein Problem als einen Zustand den man nicht lassen kann wie er ist, weil sonst Schaden entsteht. Ganz im Gegensatz zu einer Aufgabe, die man mit dem, der sie gesetzt hat, verhandeln kann: „Können wir uns darum auch später kümmern, Chefin? Wir haben dafür gerade keine Zeit, bei Kunde Friese brennt die Hütte.“ „Ja, klar, könnt ihr, kein Problem“ – sondern Aufgabe.

Wenn ein Problem, genauer gesagt ein Marktproblem, gelöst wird, verbessern sich Organisationen von selbst (selbstorganisiert).

Schließlich hat man hinterher ein Problem weniger, die Organisation hat sich ihrer Umgebung angepasst (ist damit ein Stück dynamikrobuster geworden), und die an der Problemlösung Beteiligten sind beim Lösen auch nicht dümmer geworden (haben dazugelernt).

Neben der Lösung von Marktproblemen gibt es noch einen zweiten Ansatz, um Unternehmen zu verbessern. Der geht davon aus, dass es Maßnahmen (Lösungen) gibt, die immer nützlich sind, ganz gleich, welche konkreten Probleme ein Unternehmen gerade hat. Digitalisierung kann zum Beispiel eine solche Lösung sein, auch wenn es vorher mit „digital“ keine Probleme gab. Muss es ja auch nicht. Digitalisiert wird, damit erst gar keine Probleme auftreten, weil man mit der Lösung schneller war. Beim Laufen (Joggen), ist es ähnlich. Das macht man auch nicht weil man krank ist, sondern weil man fit bleiben will.

Maßnahmen zu treffen, um auch in Zukunft ein „fittes“ bzw. konkurrenzfähiges Unternehmen zu bleiben, ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings nur, solange nicht Dynamik das Problem ist. Dynamik ist ein Maß für die Anzahl von Überraschungen, die ein Unternehmen aushalten (oder seinerseits erzeugen) muss, um in einem modernen Markt zu überleben. Dynamikprobleme kann man sich nicht vorher ausdenken, sonst wären sie keine Überraschungen. Und weil man von überraschenden Problemen nicht vorher wissen kann, kann man auch nicht an Lösungen arbeiten, die sie verhindern sollen. Man muss schon warten, bis sie auftauchen. Wenn dann eines auftaucht, heißt der Begriff, auf den es bei der Lösung ankommt nicht Digitalisierung oder KI, oder welche Begriffe gerade sonst noch im Angebot sind, sondern „Lernumgebung“.

Eine Lernumgebung ist eine Umgebung, die ein Unternehmen zur Verbesserung seiner Struktur veranlasst.

Zum Beispiel, wenn es, wie oben beschrieben, von einem äußeren Reiz (von Kunde Friese) irritiert wird und die Bearbeitung des Reizes zu einer neuen, besseren Struktur führt. Das Unternehmen hat dann gelernt, seine Anpassung an die Umgebung hat sich verbessert.

Unter hoher Dynamik ist der Markt die wichtigste Lernumgebung.

Unter geringer Dynamik hingegen ist die Lernumgebung, an welcher sich Unternehmen orientieren der Industriestandard, eine Best Practice oder ganz einfach das, was das Management für richtig hält. Beide Lernumgebungen haben ihre Berechtigung, man darf sie nur nicht verwechseln:

Kein Unternehmen wird durch Digitalisierung oder KI dynamikrobust.   

Bis übernächste Woche!

 

 

 

 

 

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