Der CEO erklärt seinen Erfolg

15. Oktober 2015 - Ralf Hildebrandt

Ein Vorstand hatte kürzlich im privaten Gespräch sein Unbehagen geteilt, wenn er von Medienvertretern nach seinem „Erfolgsgeheimnis“ befragt wird. Denn eigentlich wisse er gar nicht genau, wo und wie das Geschäft überhaupt funktioniert. Geschweige denn, über Erfolgsfaktoren berichten zu können. Das will natürlich niemand hören. Mit einer Erklärung dürfe er also nicht sparsam sein. 

Da hat er recht. 

Den CEO nach seinen Erfolgsfaktoren zu fragen ist ähnlich berechtigt, wie den Lotto-Gewinner zu fragen, wie er das gemacht hat: „ich nehme immer den Geburtstag von meiner Katze und wenn ich den dreimal genommen habe, dann nehme ich den Geburtstag von meinem Hund. Das bringt es, das mache ich jetzt immer wieder und irgendwann gewinne ich nochmal. Weil in dem Geburtstag meiner Katze irgendwie was drin steckt.“

Dog and cat sitting at the table and celebrating Birthday anniversary. Focus on the jealous cat.
(hier ist klar, wer Geburtstag hat)

Was weiß ein CEO eines Konzerns – zum Beispiel VW – von dem, was in seinem Werk(en) tatsächlich passiert? Er kann schon deshalb nicht viel darüber wissen, weil es einfach zu vielfältig ist. Natürlich geschehen in einem Werk wenige wichtige und viele unwichtige Dinge. Aber selbst das muss man behaupten. Was ein Werk, ein Unternehmen ausmacht, ist das harmonische Zusammenwirken von wirklich allem. Das kann ein einzelner Mensch nicht mehr durchdringen – auch nicht die 5 Mitglieder der Geschäftsführung.

Dennoch – wenn das Unternehmen erfolgreich ist, hat man ein großes Bedürfnis zu verstehen, warum. Und der einfachste Weg, zu verstehen ist, den Repräsentanten zu suchen und den Erfolg des Sozialsystems diesem Repräsentanten zuzurechnen. Und der Repräsentant ist trainiert, um nicht zu fragen: wieso ausgerechnet ich? Er akzeptiert die Zurechnung sofort und tut so als wisse er, wie der Erfolg zustande gekommen ist.

Dass das nicht immer funktioniert kann man erkennen, wenn das Gegenteil eintritt. Bei Misserfolg. Dann akzeptiert der Vorstandsvorsitzende die Zurechnung nicht. Dann kann er eine ganze Liste von Gründen aufzählen, warum dieser Misserfolg eingetreten ist. Und alle diese Gründe haben (meist) nichts mit ihm zu tun. Im Gegenteil, er hat sogar gewarnt und die haben das trotzdem gemacht.

Die Zurechnung von Erfolg ist also quasi automatisch.
Die Zurechnung von Misserfolg hingegen flotiert immer, sie hat keinen Autor. 

Dahinter steckt der Wunsch, die Welt zu vereinfachen und verstehbar zu machen. Einen Konzern zur Kenntnis zu nehmen, ist unmöglich. Die Vielfalt ist zu groß. Wie im Falle einer Gesellschaft, einer Partei oder einer anderen Organisation. Wenn ich so tun darf, als wäre der Vorsitzende des ADAC der ADAC selbst, dann muss ich mir unter ADAC nur noch den Chef vorstellen und kann den Rest vergessen. Und wenn ich wissen will, wie es dem ADAC gerade geht, dann frage ich den Chef und gehe davon aus, dass es so ist. 

Erfolgsfaktoren-Forschung ist bei hoher Dynamik der verzweifelte Versuch, Erfolg und Misserfolg erklärbar zu machen. Bei niedriger Dynamik funktioniert das noch. In diesem Fall kann man sagen, dass das Unternehmen mit den niedrigsten Kosten und der besten Qualität erfolgreich wird. Das kann man nicht verhindern.
Bei hoher Dynamik ist die Anzahl der Erfolgsfaktoren allerdings so groß, dass man sie gar nicht zur Kenntnis nehmen kann. Man kann selbst bei Isolation einiger Erfolgs-Faktoren nicht mehr herausfinden, was der Grund des Erfolgs war.

In der Praxis merkt man das schnell. Der eine nennt Grund X und der nächste, den man fragt, nennt Grund Y. Und schon gibt es Streit. Dann braucht man irgendeine große Institution. Am besten ein großes, oder besser noch, das größte Beratungsunternehmen. Und das entscheidet dann, worauf es wirklich ankommt.

Zum Nachhören als Zündfunke hier:

PS: zusammen mit dem Präsidenten des Deutschen Arbeitgeberverbandes, Herrn Peter Schmidt, erscheint zur Zeit eine 6-teilige Gesprächsreihe zum Thema dynamikrobuste Organisation. Sehr zu empfehlen. Teil 2 ist soeben erschienen. 

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Wir werden nach der Veröffentlichung des letzten Teils das editierte Audiofile auf unserer Seite zur Verfügung stellen.  

Bis nächste Woche!

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