Die Angst vor Blauem

22. September 2015 - Ralf Hildebrandt

Wirtschaft ist nicht moralisch. Sie lässt sich von Moral nicht beeindrucken. Man könnte sagen, sie kümmert sich nur um ihren Fortbestand. Wie Systeme das eben tun. 

Und ROT ist nicht gut und BLAU ist nicht schlecht. Oder umgekehrt.

Wir erleben in Projekten immer wieder eine Wertung. Woher das kommt, wissen wir nicht. Ist ROT vielleicht eine schönere Farbe? Was sich wiederholt (BLAUES), muss man als Prozess organisieren. Sonst betreibt man Verschwendung – was ist daran schlecht oder langweilig?
Will man dagegen neues Geschäft entwickeln, wird man sich den Zufall zum Freund machen müssen und den Absatz sicher nicht durch einen Plan ankurbeln können. Sondern durch Ideen und konkrete Taten. 

In kleineren und auch in Unternehmen von erstaunlicher Größe erleben wir öfter das, was wir die „Angst vor dem Blauen“ nennen. Man hat schon fast den Eindruck, dass man seine Wertschöpfung an keiner Stelle prozessual organisieren möchte – man erfindet ständig das Rad neu. Was steckt dahinter?

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Die Angst vorm Blauen entsteht erst dadurch, dass man mit den roten Aspekten eines Arbeitsablaufs Erfolg hat und sich an diesen Erfolg gewöhnt. Man weiß, dass Probleme durch Ideen und konstruktive Zusammenarbeit gelöst werden können, was anderen unglaublich schwer zu fallen scheint. Deshalb ist man erfolgreich. Das heißt, Angst vor BLAUEM setzt die Erfahrung voraus, dass man mit ROTEN Strukturen erfolgreich sein kann. Wenn man sich daran gewöhnt hat und es in der Kultur verankert ist, dass man mit ROTEM Vorteile hat, dann hat man natürlich Angst davor, das ROTE einzuschränken. 

Sobald man anfängt etwas zu regeln, ist dort, wo man regelt, das ROTE nicht mehr möglich. Destruktiv wird diese Angst vor BLAUEM dadurch, dass man die Unterscheidung nicht zur Verfügung hat. Oder nicht so richtig weiß, wie man damit umgeht. Man hat ja eigentlich streng genommen nicht Angst vor BLAU. Sondern Angst vor Regelungen. Angst vor destruktiver Zerstörung seiner Kreativität. 

Wenn man aber die Unterscheidung von ROT und BLAU zur Verfügung hätte und damit entsprechend umginge, würde sich die Regelung und die Idee der Regelung schließlich nicht auf das ROTE, sondern auf das BLAUE beziehen. Das heißt, die Angst würde verschwinden. Denn BLAUES kann man erst regeln, wenn man es gefunden hat.

Bei Unternehmen, die noch klein sind, also noch über „Tischstrukturen“ verfügen, gibt es diese Trennung nicht. Wenn man etwas regelt, regelt man nicht das BLAUE, sondern das, was man jeden Tag tut. Und wenn man das, was man jeden Tag tut, regeln würde, dann wäre die Angst berechtigt. Denn wenn ROT und BLAU nicht getrennt sind, regelt man immer das ROTE mit. Das heißt, das Regeln verliert erst dann seine Gefahr, wenn ich in der Lage bin, vor der Regelung das ROTE abzuspalten. Also der Regelung quasi entziehe. Erst dann wird die Regelung, also die Organisation des Blauen, zum Vorteil.

Da man aber diese Unterscheidung meistens nicht zur Verfügung hat, hat man berechtigte Angst vor Regelung. Weil jede Regelung immer auch das ROTE behindert.

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Bis nächste Woche!

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