Dynamik braucht rote Wangen statt kühler Köpfe

18. November 2015 - Ralf Hildebrandt

Mehr Dynamik bedeutet mehr Überraschungen. Um Überraschungen zu erzeugen, beziehungsweise zu parieren, braucht es Ideen. Menschen, die passende Ideen haben, nennen wir Könner. Das Potential, aus dem Können erwachsen kann, nennen wir Talent.

Kurz: Mehr Dynamik braucht mehr Talente, weniger Dynamik braucht weniger. Der Bedarf an Talenten verändert sich mit der Dynamik der Märkte.

Bis vielleicht in die 80er Jahre war der Talentbedarf in der Wertschöpfung im Vergleich zu heute überschaubar. Um 1900 herum (Manufakturen) war er schon einmal hoch. Aber das hat man meist vergessen. Der heute hohe Talentbedarf ist relativ neu. Fast alle Unternehmen spüren inzwischen, dass sie Talente brauchen, aber erst wenige wissen, wie man sie beschafft.

Noch einmal zur Vorsicht – wir verstehen unter Talent eine Eigenschaft des Körpers. Im Unterschied zum Bewusstsein. Ob man sich zu einem Problem (z.B. der Entwicklung neuer Motoren) angezogen fühlt oder nicht, ist keine Sache des Verstands.
Wann haben Sie zuletzt rote Wangen vor Aufgeregtheit (heimlich natürlich) bekommen? Weil Sie erkannt haben, dass Sie etwas einfach nicht so lassen können wie es ist? Dann ist Resonanz zwischen einem Ihrer Talente und einem Problem oder einer Herausforderung entstanden. Sie haben sich das eingehandelt. Aber sicher nicht selbst hergestellt („jetzt krieg´ ich einen roten Kopf“).

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Wenn man so über Talent nachdenkt, ist auch klar, dass man nicht um Talent kämpfen kann. Oder gar ein Talent als eine Art Erscheinung vom Konkurrenten abwerben könnte. Man müsste die Herausforderung – den Anlass der Gesichtsröte – dann ja auch vom Konkurrenten abwerben. Das wäre mindestens lustig. Wahrscheinlich aber eher komisch. 

Warum gelingt es nur wenigen Unternehmen diese Talentbasis für dynamikrobuste Höchstleistung zu erzeugen? Die Höchstleister selber verstehen dies am wenigsten. Für sie ist dieses Thema mit keinen besonderen Anstrengungen verbunden. Unser Verdacht: Es liegt nicht am falschen Tun, sondern am falschen Denken, oder anders, am veralteten Menschenbild.

Wichtiges Element des tayloristischen Personalwesens ist die so genannte „Stelle“. Das sind die Positionen in den Abläufen eines Unternehmens, an denen ein Mitarbeiter benötigt wird. Die Anforderungen, die diese Stelle an einen Mitarbeiter stellt, sind bekannt und – wenn Ordnung herrscht – in einer Stellenbeschreibung beschrieben. Die Personalabteilung hat die Aufgabe, Mitarbeiter zu finden, deren Leistungsprofile auf die Anforderungsprofile der Stellen passen.

Das Leistungsprofil eines Mitarbeiters kann durch vielfältige Verfahren vorher festgestellt, vermessen und beschrieben werden. Wenn sein Profil auf die unbesetzte Stelle passt, kann er mit kleinem Risiko eingestellt werden. Danach wird sein Profil durch Fortbildung an immer wieder neue Anforderungen angepasst. Gelingt dies nicht, muss er wieder gehen. So weit so gut.

In dynamischem Umfeld funktioniert diese bewährte Denkweise nicht mehr. Menschen unterscheiden sich jetzt weniger durch das was sie schon sind, sondern vielmehr durch das, was aus ihnen werden könnte. Also durch ihr Talent. Besonders bei unbekannten, überraschenden Aufgaben ist zunächst offen, wem sie leicht fallen und wer scheitert.

Natürlich kann sich jeder durch fleißiges Üben überall verbessern. Höchste Leistung entsteht aber nur auf Basis von Talent. Ein Beispiel: Jeder kann durch Fleiß irgendwann auf einem Klavier spielen. Ohne Talent wird aber nie ein Konzertpublikum applaudieren. Talent ist also ein zunächst verborgenes Potential. Erst wenn durch stetiges Üben höchstes Können erreicht ist, ist es als Hintergrund sichtbar.

Können ist die Basis von Ideen, und damit die wichtigste Waffe dynamikrobuster Unternehmen. Talente werden benötigt, um Können zu erzeugen. Nicht das Talent selbst, erst das Können welches daraus erwachsen kann, ist wirtschaftlich relevant.

Wer also Können benötigt, muss Talente fördern. Diese sind aber erst sichtbar, wenn das Können erzeugt ist. Wegen dieser Tücke des Talents tun sich die Personalabteilungen dynamikgeplagter Unternehmen so schwer. Talente sind keine besonderen Skill-Profile und können deshalb nicht wie gewohnt „beschafft“ werden. Sie werden erst bei der Arbeit im Unternehmen sichtbar. Im Einstellungsgespräch oder im Assessment-Center bleiben sie verborgen.

Bald gibt es Einblick in eine Reihe von Techniken, um Talente sichtbar zu machen und so zu fördern. 

Bis nächste Woche!

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