Können fürs Komplexe
22. April 2022 - Ralf Hildebrandt
Liebe Leserinnen, werte Leser,
unter Kompetenz verstehen wir die Einheit der Unterscheidung von Wissen und Können. „Einheit“ bedeutet, beides kommt ohneeinander nicht vor, „Unterscheidungen“ (einer Einheit) sind nur fürs Denken gedacht.
Und wenn Sie nun, als aufmerksamer Leser unserer Posts den Eindruck haben, dass Sie das doch nicht nur einmal, sondern schon zweimal gelesen hätten, liegen Sie richtig. So hatten schon die letzten beiden Beiträge „Können schulen“ und „Könner vergessen?“ begonnen.
Auch heute geht es ums Können (zum vorerst letzten Mal). Und diesmal im Speziellen um den Umstand, dass jede „klassische“ Unternehmensfunktion unter Dynamik ihre Homogenität verliert. Egal ob es sich nun um Verkauf, Einkauf, Marketing oder Management handelt (um ein paar Beispiele zu nennen), jede Funktion spaltet sich unter Dynamik in einen formalen und einen komplexen Anteil auf. Diese durch eine überraschende Marktumgebung erzeugte Dualität kann zwar jeder spüren, ohne passende Denkwerkzeuge bzw. Unterscheidungen bleibt sie allerdings unsichtbar. Der formale (komplizierte) Anteil einer Funktion ist dabei der, der sich wiederholt, Sie könnten ihn mit „Routine“ bezeichnen, mit Alltags- oder Bestandsgeschäft. Vielleicht liest sich das für Sie langweilig, ist es aber nicht, das ist der Hauptteil Ihrer Arbeit.
Aber nicht alles ist Routine, ab und zu müssen Sie auch mit etwas umgehen, was Sie an den Rand Ihrer Routine bringt und etwas darüber hinaus. Gerade so weit, dass Sie noch nicht (in Überforderung) davonlaufen. Das ist der komplexe Anteil einer Funktion bzw. der Funktion, die Sie gerade erfüllen. Wenn man so will, ist das das Überraschungspotenzial Ihres Jobs (Ihrer Tätigkeit). Auch damit gehen Sie täglich kompetent um, auch wenn Sie das nie beherrschen können. Der Umgang mit Überraschungen ist schließlich der Umgang mit Unbekanntem und was man noch nicht kennen kann, kann man auch nicht beherrschen (wollen).
Komplexes kann nicht beherrscht werden, auch nicht durch Wissen.
Wenn Wissen (als formaler Teil von Kompetenz) nach jahrzehntelangem Erfolg betriebs-wissen-schaftlicher Organisationsgestaltung dominiert, kann einen Nicht-Beherrschbarkeit in Angst und Schrecken versetzen. Dabei vergisst man, dass man jeden Tag überrascht wird, sogar von sich selbst (denken Sie gerade das, was Sie denken sollten?). Man bewegt sich wie ein Fisch im Wasser in seiner komplexen Umgebung. Und zwar mithilfe von Können, Talent und Ideen.
Komplexität konfrontiert immer wieder neu mit Überraschungen. Die meisten davon können Sie ignorieren, für die, die Sie nicht ignorieren können, brauchen Sie eine Idee. Mindestens sollten Sie jemanden finden, der eine haben könnte. Stehen verschiedene Ideen zur Auswahl, müssen Sie die nacheinander ausprobieren. Es sei denn, es stehen schon Denkwerkzeuge zur Verfügung, um brauchbare von wertlosen Ideen zu unterscheiden – wie zum Beispiel das Werkzeug „Kompetenz“ als Einheit der Unterscheidung von Wissen und Können und die Einsicht, dass „mehr Wissen“ keine Dynamikprobleme lösen kann.
Bis übernächste Woche!
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