Marktanalyse. Halt doch mal still!

27. Juli 2015 - Ralf Hildebrandt

Für manche Ökonomen beschreibt der Begriff „Markt“ eine potentielle Käufergruppe. Die Mikroökonomie versteht unter einem Markt das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage aufgrund dessen sich Preise bilden. Und unter einer Marktanalyse versteht man oft eine Befragung von Menschen (Zielgruppe).  Die sagen einem dann, was sie gerne hätten und wie viel davon (Potential).

Der Systemtheoretiker sieht das ganz anders. Er „braucht“ die Menschen nicht, um zu verstehen. Wirtschaft ist für ihn ein soziales System. Und soziale Systeme (auch Unternehmen) bestehen nicht aus Menschen. Sondern aus Kommunikation. Menschen gehören zur Umgebung eines Systems. Kommunikative Systeme werden zwar von den Akteuren provoziert. Lösen sich dann aber ab und operieren nach eigener Struktur. 

Wer Wirtschaft so beschreibt hat auch eine andere Vorstellung davon, was ein Markt ist. Ein Markt ist ein ziemlich komplexes Gebilde, welches viel einschließt. Dazu gehören Kunden, Lieferanten, Gesetze, ich selbst usw.. Preise entstehen in solch dynamischem Kontext sicher nicht durch Kalkulation. Sondern hinter dem Rücken der Akteure dadurch, dass man als Gütertauschpartner (mit Geld) im Konfliktfall Alternativen hat. In den 50ern war das noch anders. Da war genug Platz. Heute hat jeder einen Fernseher und eine Waschmaschine. 

Macht eine Marktanalyse in Dynamik denn überhaupt Sinn? Ja und nein. Meistens nicht. Eine Analyse ist nur bei etwas Totem sinnvoll. Bei etwas, das stillhält.

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Heute ist es aber so, dass schon meine Marktbeobachtung den Markt verändert. Analysiert Porsche den Markt für elektrogetriebene Sportwagen, wird sich Ferrari seine Gedanken machen. Und auch ´mal gucken gehen, was da so los ist. Und alles nur, weil Tesla damit begonnen hat. Man sieht, der Markt als Gegenstand der Analyse ändert sich durch die Beobachtung.  

Wenn schon die reine Beobachtung eine solche Konsequenz hat, muss man es mit etwas Quicklebendigem zu tun haben. Und das macht die Sache komplex. Man muss mit Überraschungen rechnen. Marktforschung bei Dynamik braucht Gefühl. Instinkt. Unternehmerischen Mut. Ideen. Man kann nicht mehr wissen können, ob da tatsächlich ein Markt ist oder nicht. Man muss etwas anbieten und herausbekommen, ob man dafür bezahlte Rechnungen erhält. Die möglichst höher als die Herstellkosten sind. 
Nur dann hat man einen Markt. Alles andere ist nur eine Hoffnung auf einen Markt. Mehr nicht. 

Hier der Zündfunke dazu (2 Minuten) und nachfolgend das Transkript.

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Analysen sind nur dann sinnvoll, wenn das, was ich analysiere, stillhält. Heute ist es aber so: wenn ich anfange, einen Markt zu analysieren, werde ich beobachtet. Das heißt, dadurch, dass ich den Markt beobachte, ändert er sich. Der Markt ist immer eine Gebilde, was sehr viel einschließt, also mich einschließt, die Kunden einschließt, die Zulieferer einschließt, die Gesetze einschließt, alles das ist Markt. Dieses unheimlich komplexe Gebilde. Und wenn ich das beobachte, dann werde ich beim Beobachten beobachtet.

Also wenn ich Siemens bin und irgendjemand merkt Siemens macht da eine Marktanalyse, dann beginnen sich natürlich nicht nur ein sondern viele Unternehmen zu überlegen, wieso. Wieso macht Siemens da eine Analyse? Da gehe ich doch auch mal gucken. Wenn jetzt nicht nur ein Unternehmen einen Markt analysiert, sondern plötzlich fünf, dann ist der Gegenstand der Analyse ja schon anders.

Es ist ein Unterschied, ob ich einen Markt bedienen will, den noch niemand entdeckt hat oder ob ich einen Markt bedienen will, wo es nur noch darum geht, wer denn der Erste ist. Also von den Konkurrenten, wer ist denn am schnellsten. Das ist ja am Anfang nicht der Fall.

Das heißt, die Beobachtung, die Analyse eines Marktes hat heute immer die Konsequenz, dass sich dadurch der Markt verändert. Und das macht die Sache komplex. Jetzt brauche ich Gefühl, jetzt brauche ich Instinkt, jetzt brauche ich unternehmerischen Mut. Mache ich es oder lasse ich es lieber? Und ich kann nicht wissen, deswegen muss ich dann irgendwann entscheiden. Ich kann nicht wissen, ob es tatsächlich für mich ein Markt ist oder nicht. Irgendwann muss ich hingehen und gucken und zwar gucken im Sinne, dass ich ein Produkt anbiete und gucke, gibt es dafür bezahlte Rechnungen, die höher sind als die Herstellung des Produktes gekostet hat. Und nur dann ist es ein Markt. Wenn nicht, war es eine Hoffnung auf Markt, mehr nicht.

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Bis nächste Woche!

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