„Nur-so-ein“-Gefühle

10. November 2023 - Ralf Hildebrandt

Liebe Leserinnen, werte Leser,

wenn Sie Ihren Job nicht erst seit gestern machen, haben Sie in Ihrem Unternehmen wahrscheinlich etwas zu sagen:

  • Sagen Sie etwas, weil Sie es besser wissen und etwas zu sagen haben – im Sinne von Macht?
  • Oder sagen Sie es, weil Sie es, im Falle eines überraschenden Problems, auch nicht besser wissen können, aber Ansehen genießen?

Oder trifft beides zu? Auch das ist möglich:

  • Wenn es um die Lösung bekannter Probleme geht, wird Ihr Wissen (auf Basis von Macht) genutzt, und Sie weisen an, was zu tun ist. Gegebenes Wissen nicht zu nutzen wäre Verschwendung und Macht (die Tatsache, dass Sie Vorgesetzte(r) sind) sorgt dafür, dass diesbezüglich keine Zweifel aufkommen.
  • Wenn es hingegen um die Lösung überraschender Probleme geht (wie sie in dynamischer Marktumgebung häufig vorkommen), kann es noch kein Wissen geben. Es muss erst erzeugt werden. Wenn Sie auch dann noch etwas zu sagen haben, wird auf Ihr Wissen verzichtet und Ihr Gefühl in Gebrauch genommen.

Zum Beispiel, wenn Sie um Rat gebeten werden und sich sagen hören: „Keine Ahnung, weiß ich auch nicht, aber wenn sie mich fragen, dann würde ich das hier vielleicht lassen und eher jenes mal probieren – ist aber nur so ein Gefühl.“

„Nur-so-ein“-Gefühle werden von Organisationen benötigt, wenn man noch nicht „Verstand-en“ hat (noch nicht wissen kann), wie man etwas lösen soll. Solche Gefühle sind Talentsache, die kann nicht jeder erzeugen und sie sind auch nicht (wie alle anderen Gefühle auch) übertragbar. Sie kleben an der Person, die sie hat.

Einer Organisation problemlösende Gefühle bereitstellen zu können ist unter hoher Dynamik eine existenzielle Funktion,

ohne welche überraschende Probleme kaum angepackt, geschweige denn gelöst werden könnten (problemlösende Gefühle gehen Problemlösungen voraus). Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, wer in Bezug auf welche Art von Problem „nur-so-ein“-Gefühle erzeugen kann. Nicht zuletzt deshalb hat sich in der modernen Organisationsentwicklung bewährt, eine Person nicht nur als Skillprofil (aus Wissen), sondern vielmehr als Einheit von Verstand und Gefühl(en) zu verstehen.

Bis übernächste Woche!

 

 

 

 

 

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