Systeme verstehen – moderne Probleme knacken
8. Juli 2016 - Ralf Hildebrandt
Man kann auf Organisationsentwicklung mit der Brille der BWL schauen. Dann steht Effizienz im Fokus. Einer denkt, einer baut, die anderen machen. Super! Und billig. Wenn die Märkte weit und der Konkurrent weit weg ist, gibt´s kaum besseres, um sein Geld zu verdienen.
Oder Sie schauen mit den Augen eines Psychologen auf das Unternehmen. Und helfen die Wunden zu lecken, wenn der Konkurrent wieder einmal schneller war. Auch das kann wirken.
Strukturelle Probleme kann man am besten – ok, besonders gut – durch die systemtheoretische Brille lösen.
(Wenn Sie das besonders interessiert, empfehlen wir unser Webinar „Denken in Systemen“ nächste Woche als Einstieg – oder eine Denkwerkstatt im Oktober)
Heißt das, dass man die Menschen dann nicht mehr braucht? Auf der einen Seite quatschen die Systemtheoretiker die ganze Zeit von Systemen, dass Menschen nicht dazugehören, dass sie nicht einmal kommunizieren können und allerlei andere Ungeheuerlichkeiten. Scharlatane! Und auf der anderen Seite quillt der Blog über vom Begriff Talent. Da ist die Rede von Führungstalenten, die Teams stiften . Was denn nun?
Soweit ist der Beitrag von heute noch verdaubar. Jetzt wird es gleich ein wenig vogelwild. Wir drehen eine kleine systemtheoretische Runde. Alle rufen schließlich danach, dass man mit dem Denken von gestern nicht mehr die Probleme von heute lösen kann. Vielleicht halten Sie es durch. Sie müssen nicht verstehen. Es würde schon genügen, wenn Sie die Stirn runzeln und den Verdacht entwickeln, dass es da neben BWL und Psychologie noch etwas gibt.
Also zur Erklärung. Es ist ein Missverständnis, dass Menschen für die Systemtheoretiker nicht wichtig sind. Oder sie gar ignorieren. Dazu muss man zunächst einmal aufklären, was ein System ist. Ein System ist die Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Hm? Das ist begrifflich blöd gelaufen, weil der Begriff System beides gleichzeitig benennt. Einmal ist System eine Seite der Unterscheidung System und Umwelt, und zugleich ist das System die Bezeichnung der Einheit dieser Unterscheidung. Das mit den Unterscheidungen kennen Sie schon von blau und rot. So ist die Einheit der Unterscheidung von Führung und Steuerung Management. Will man über modernes Management nachdenken, hilft es im Geiste zwischen Führung und Steuerung zu unterscheiden. So versteht die Systemtheorie unter System die Einheit der Unterscheidung zwischen System und Umwelt, also zwischen System und Menschen (ja, die gehören zur Umwelt eines Systems).
Es ist keineswegs so, dass Menschen da nicht vorkommen, aber die Menschen sind nicht Thema der Systemtheorie. Den Menschen als Thema hat die Psychologie. Die beschäftigt sich mit Menschen. Die Systemtheorie begreift das als Hoheitsgebiet der Psychologie. Das wird zur Kenntnis genommen und was dort an Forschungserkenntnissen erzeugt wird, wird eingebaut. Aber es ist nicht ihr Thema.
Das Thema der Systemtheoretiker ist, was Menschen sich einhandeln. Und das nennen sie Organisationssystem.
Deshalb scheint es wie ein Widerspruch, dass man auf der einen Seite nur über Systeme redet, weil man wohl nur davon etwas versteht. Auf der anderen Seite aber darauf hinweist, dass (besonders) moderne Organisationsentwicklung nur mit Talenten möglich ist.
Der Grund ist also, dass die Systemtheorie nur eine Seite einer Unterscheidung behandelt, die nur zusammen einen Sinn macht.
Das, was ein Unternehmen heute darstellt, ist die Einheit der Unterscheidung zwischen Organisation und Menschen.
Und die Systemtheorie beschäftigt sich mit einer Seite dieser Unterscheidung, nämlich mit Organisation und System. Was natürlich zur Folge hat, dass man glaubt die Systemtheoretiker verstünden nichts von Menschen. Das überlassen die anderen. Aber sie setzen nicht nur voraus, dass Menschen da sind. Sondern auch, dass da Individuen mit ganz bestimmten Eigenschaften und Qualitäten sind. Wenn die fehlen, dann kann das, was die Systemtheorie z.B. in Form von Höchstleistung beschreibt, gar nicht stattfinden.
Höchstleistung findet immer dann statt, wenn ganz bestimmte Elemente in der Umgebung eines Systems da sind, zum Beispiel ein dynamischer Markt, zum Beispiel talentierte Menschen und solche, die Kulturen stiften können. Die nennen wir dann „Spinne im Netz“, das muss alles da sein, das setzt man voraus. Die Tatsache, dass das vorausgesetzt wird, heißt ja nicht, dass man es ignoriert.
Im Gegenteil. Menschen und ihre Eigenschaften (Talente) sind zwar aus gutem Grund kein Thema, wenn man über die Restrukturierung von Unternehmen nachdenkt (keine Helden, keine Schuldigen!). Sie sind nur nicht das Thema. Aber die Systemtheorie ist darauf angewiesen, dass diese „Elemente in der Umgebung“ eines Systems da sind. Und wenn sie fehlen, hat das Konsequenzen.
Empfehlung zum Einstieg, wenn Sie das nun angefixt hat:
Webinar „Denken in Systemen“ nächste Woche (oder als Aufzeichnung irgendwann).
Bis nächste Woche!
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Bildnachweis: istockphoto DENY_SAPUTRO 88328047
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