Verblödung durch intelligente Leute
13. Juni 2024 - Ralf Hildebrandt
Liebe Leserinnen, werte Leser,
April und Mai war hier im Blog zu lesen, dass Unternehmen verblöden, wenn Menschen Organisationsstrukturen nutzen in welchen sich deren Intelligenz nicht (mehr) unterbringen lässt. Einmal wurde Verblödung am Beispiel doppelt gemanagter Mitarbeiter beschrieben und einmal am Beispiel genial gemanagter Mitarbeiter. Jetzt ist Juni, und, der Titel hat es schon verraten, es gibt noch einen dritten Teil – Verblödung von Organisation durch intelligente Leute. Was Sie zur Beobachtung des Phänomens brauchen, ist die Unterscheidung von Wissen und Meinung:
- Wissen besteht aus Aussagen, welchen nicht widersprochen wird, Wissen wird durch Kommunikation erzeugt. Und weil es durch Kommunikation erzeugt wird, reicht es auch nicht weiter als diese.
- Außerhalb seiner kommunikativen Reichweite wird Wissen zur Meinung,
was Ihnen aus Ihrem Berufsalltag vielleicht bekannt vorkommt. Zum Beispiel immer dann, wenn Sie beobachten, dass es einer Gruppe von Menschen nicht gelingt, sich in einer Sache zu einigen, obwohl eine Einigung für alle Beteiligten nützlich wäre. Man diskutiert und diskutiert und kommt auf keinen grünen Zweig. Vielleicht streitet man sich darum, wie ein neues Angebot in den Markt eingeführt werden soll, wann es Zeit ist, auf eine modernere Produktionsplattform zu wechseln, oder ob es Sinn macht, einen Kurs zur Gestaltung von Unternehmenswerten zu besuchen (macht es nicht, Auflösung folgt in einem der folgenden Beiträge). Kurzum – es gibt keine Aussagen, welchen niemand widerspricht (also kein Wissen), sondern nur unterschiedliche Meinungen.
Wobei natürlich jeder der Meinung ist, bei seiner handele es sich um Wissen. Der Meinung kann man sein, und je überzeugter man davon ist, dass es sich bei der eigenen Meinung um Wissen handelt, umso dümmer (unwissender) erscheinen dann die anderen. Und bevor man sich versieht, erklärt man sich die verfahrene Situation mit der Dummheit der anderen und steckt in einer Sackgasse.
„Die Dummheit der anderen“ ist praktisch immer eine Denkfalle,
schließlich geht man davon aus, dass auch bei anderen an der Diskussion Beteiligten wenigstens ein bisschen Intelligenz vorhanden ist, warum sollte man sonst mit ihnen diskutieren. An der Auffassung, dass es wegen der Dummköpfe nicht weitergeht, muss also etwas falsch sein.
Denn wenn man in Summe dümmer wird, obwohl doch eigentlich mehr Intelligenz zur Verfügung stehen sollte, dann kann die Dummheit der anderen nicht die Erklärung dafür sein, warum man gemeinsam nicht weiterkommt. Weiter kommt man, wenn erkannt werden kann, dass es nicht an Intelligenz mangelt, sondern an Struktur:
Die Struktur, die im Falle fehlenden Wissens fruchtlose Diskussionen und Schuldzuweisungen beendet, ist das Experiment.
Denn die Menschen selbst sind ja, wie gesagt, intelligent, nur eben verschiedener Meinung. Allein durch reden (ausdiskutieren, ausreden lassen) lässt sich vielfältige Intelligenz nicht nutzen – im Gegenteil. Intelligenz führt dazu, dass immer jemandem etwas einfällt, was man noch dazu meinen könnte. Die Diskussion nimmt kein Ende, gerade weil die Leute so intelligent sind:
Ohne eine Struktur, in welcher Wissen erzeugt werden kann (ohne Experiment) entsteht ein Intelligenzwirbel,
die Intelligenz des Unternehmens beschäftigt sich mit sich selbst. Jede Intelligenz findet eine Gegenintelligenz und neutralisiert sich dadurch – das Unternehmen verblödet trotz intelligenter Leute. Es entsteht dann der Eindruck man hätte es mit einer Menge dummer Leute zu tun, dabei fehlt nur die Struktur, die deren Intelligenz integrieren könnte.
Bis dann irgendwann, manchmal erst nach Wochen oder Monaten, die Diskussionen beendet werden, weil jemand eingreift und vom Denken ins Handeln umschaltet: „Wir probieren das jetzt mal aus, auch wenn es noch fünf bis sechs gegenteilige Ansichten gibt.“ Und dann macht man und nachdem man gemacht hat, redet man wieder miteinander. Aber erst hinterher, wenn alle durch eine Erfahrung klüger geworden sind, nicht vorher. Es muss erst einmal eine gemacht werden, bevor man drüber reden kann.
Bis übernächste Woche!
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